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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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greifen.
    »Hast du keinen Hunger?« fragte sie leise.
    Er drehte sich zu ihr um und schüttelte den Kopf.
    Sie stapelte das silberne Tafelgeschirr auf seinen Teller und trug ihn weg.
    »Er ist die jüdische Küche nicht gewöhnt«, sagte Chana vorwurfsvoll zu Rina, sobald sie in der Küche waren.
    Rina zuckte mit den Schultern.
    Chana kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. Sie nahm sich eine Etagere mit Gebäck und trug sie ins Eßzimmer.
    »Geht es ihm nicht gut?« flüsterte Sarah Libba.
    »Wahrscheinlich ist er müde«, antwortete Rina. »Das Essen war vorzüglich, wie immer.«
    Sarah Libba warf einen Blick auf Deckers halbleeren Teller, als ob er Rinas Kompliment Lügen strafte, aber sie sagte nichts.
    »Geh ruhig wieder rein und setz dich, Rina«, drängte sie. »Chana, die Mädchen und ich schaffen das schon allein.«
    »Sei nicht albern. Ich weiß doch, wieviel Arbeit so ein Essen macht. Ich möchte helfen.«
    Mit einer Bonbonniere in der einen und einer Nußschale in der anderen Hand ging Rina ins Eßzimmer zurück. Sie fing an, die Gläser abzuräumen. Er sieht blaß aus, dachte sie. Aber dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, als sie sah, daß ihre Jungen sich laut singend an ihn schmiegten. Es war schon Ewigkeiten her, daß Rina sie so glücklich erlebt hatte.
    Zwanzig Minuten später, nach dem Dessert, dem Abräumen und Singen, wurden alle zur Birkat-hamason – dem Tischgebet nach dem Essen, das diesmal von Zwi gesprochen wurde – wieder an den Tisch zurückgerufen. Hinterher zogen sich die Männer zu Talmud und Schnaps ins Wohnzimmer zurück.
    Decker blieb noch, um Rina allein abzupassen.
    »Wenn sich die Männer zum Schi’ur treffen, laß dir eine Ausrede einfallen und komm rüber in dein Haus«, flüsterte er.
    Sie nickte fast unmerklich.
    Während die Männer im Wohnzimmer saßen, beschäftigten sich die Kinder mit Schabbatspielen und die Frauen unterhielten sich im Eßzimmer. Normalerweise störte Rina diese Trennung der Geschlechter nicht, aber heute ärgerte sie sich darüber. Sie konnte kaum Geduld für die endlosen Debatten über die Kaschrut aufbringen. Es war ihr egal, welche Produkte in letzter Zeit von der Agudat Israel gebilligt und damit für strikt koscher erklärt worden waren. Es langweilte und ärgerte sie, und, was noch wichtiger war, es hielt sie von Peter fern.
    Eine Stunde schleppte sich langsam dahin.
    Schließlich verabschiedeten sich die Männer zur nachmittäglichen Lernstunde des Rosch-Jeschiwa.
    Rina überlegte, wie lange sie wohl warten mußte, bis sie unauffällig verschwinden konnte. Chana war leidenschaftlich mit Klatschgeschichten beschäftigt. Die Frau wußte über alles und jeden Bescheid, sie war allgegenwärtig in ihrer Bösartigkeit. Endlich schlug Sarah vor, in die Chumasch-Stunde zu gehen.
    Auf dem Weg zum Studienzimmer entschuldigte Rina sich mit der Ausrede, sie müsse unbedingt nachsehen, ob sie ihre Haustür auch abgeschlossen habe. Es war eine billige Ausrede, das wußte sie selbst. Sie hätte sich etwas Besseres einfallen lassen müssen, was ihr auch Chanas skeptische Miene bestätigte. Aber jetzt war es zu spät. Sollte die Frau sich doch ruhig das Maul zerreißen, Rina war nicht zum ersten Mal ihr Opfer und gewiß auch nicht zum letzten Mal.
    Decker wartete neben dem Haus auf sie. Er sah fürchterlich aus. Sie schloß auf und ließ ihn hinein.
    »Was ist los?« fragte sie.
    »Ich brauche sterile Gaze, Aspirin, Antibiotika, falls du welche im Haus hast, und ein steriles, scharfes Messer.« Er wollte sich das Jackett ausziehen, konnte es aber nicht. »Faß mal mit an, Rina.«
    Sie half ihm aus der lacke.
    »Wo bist du verletzt, Peter?«
    »Am rechten Arm.«
    Sie krempelte seinen Hemdsärmel hoch, wickelte den völlig durchnäßten Verband ab und schlug entsetzt die Hand vor den Mund. Rings um die gefleckte, grüne Eiterbeule war das Fleisch braun geworden.
    »Es geht schon, hol mir nur ein Messer«, sagte Decker.
    »Peter, du mußt ins Krankenhaus.«
    »Hol mir ein Messer.«
    »Vergiß den Schabbes, Peter. Die Wunde ist lebensgefährlich. Ich würde dich sogar selbst hinbringen, wenn du nicht mehr fahren kannst.«
    »Ich will nicht ins Krankenhaus«, sagte er laut. »Ich brauche bloß ein Messer.«
    »Wenn du dich nicht behandeln läßt, begehst du eine Awera. Nach der Halacha mußt du ins Krankenhaus.«
    »Rina, im Moment schert mich die Halacha einen Scheißdreck. Der Eiter muß raus, sonst nichts.«
    »Warte hier«, sagte sie. Ein paar Minuten

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