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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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geschlagen.«
    »Es ist schwer …, sich an etwas Neues … zu gewöhnen«, sagte Mrs. Bates mit brüchiger Stimme. »Was …« Sie schluckte. »Was hat Sie denn nach Los Angeles verschlagen?«
    »Die Familie meiner Exfrau und eine Stelle in einer Anwaltskanzlei. Ich habe mir eingebildet, daß ich Anwalt werden wollte. Nachdem ich in Florida acht Jahre als Polizist gearbeitet hatte, fand ich, es wäre an der Zeit umzusatteln.«
    »Die Juristerei hat Ihnen nicht zugesagt?« Sie wurde rot. »Aber ich will nicht neugierig …«
    »Davon kann doch gar keine Rede sein«, sagte Decker lächelnd.
    »Nein, die Juristerei war nicht mein Bier. Jedenfalls nicht die Art von Fällen, die ich bearbeitet habe. Aber ich bin trotzdem froh, daß ich hierher gezogen bin. Mir gefällt es hier wirklich gut.«
    Sie stach sich an einem Dorn, sagte »autsch« und steckte sich den Finger in den Mund.
    »Ich störe Sie«, sagte Decker.
    »Nein«, widersprach sie. »Es ist doch nichts passiert. Ich hätte Handschuhe anziehen sollen.«
    »Wie geht es Erin?« fragte Decker.
    »Erin …? Gut. Sie ist stiller geworden. Ernster.« Sie sah ihn an. »Haben Sie … Neuigkeiten für uns?«
    Decker bekam eine trockene Kehle. Die Polizei hatte der Presse den Zwischenfall vom gestrigen Abend als Drogenrazzia dargestellt – eine Schießerei bei der Durchsuchung eines Crack-Hauses. Decker hatte darauf bestanden, weil es ihm bei dem Gedanken, der Familie Bates könnten die furchtbaren Details von Lindseys Tod von der Titelseite der Morgenzeitung ins Gesicht starren, gegraust hatte.
    Doch nun mußte er es Mrs. Bates persönlich sagen. Er wollte es ihr behutsam beibringen und so den unvermeidlichen Schock ein wenig mildern. Deshalb war er auch bei ihr vorbeigefahren, denn früher oder später mußte sie die Wahrheit erfahren. Aber als er sie jetzt vor sich sah, brachte er es nicht übers Herz, ihr zu sagen, was er gesehen hatte.
    Er verfluchte seine Feigheit.
    »Viel Neues gibt es nicht«, antwortete er. »Aber machen Sie sich keine Gedanken, Mrs. Bates. Ich finde das Schwein.«
    »Damit würden Sie auf jeden Fall meinem Mann einen Gefallen tun. Wegen der Gerechtigkeit und so. Ich denke nicht viel über die Gerechtigkeit nach. Es macht mich wahnsinnig, wenn ich daran denke, wie ungerecht die Welt ist, also denke ich nicht daran. Ich kehre die Scherben zusammen und mache weiter. Aber mein Mann … er hat nichts als Rache im Sinn.« Sie beschnitt die nächste Rose. »Ich sollte es Ihnen vermutlich nicht sagen, aber er versucht, den Mord auf eigene Faust aufzuklären.«
    »Hat er schon etwas herausgefunden?«
    »Nein. Er hat die fixe Idee, daß Chris … Ich habe Ihnen doch von Chris erzählt?«
    Decker war es, als hörte er den Jungen wieder weinen. »Ich weiß, wen Sie meinen«, sagte er.
    »Mein Mann ist offenbar überzeugt davon, daß Chris der Täter ist.«
    »Und was meinen Sie?«
    »Ich meine, daß mein Mann einen Sündenbock braucht und daß Chris sich dafür geradezu anbietet. Ich habe den Jungen nie gemocht, aber …«
    »Aber Sie glauben nicht, daß Chris etwas damit zu tun hat?«
    »Nein. Und ich befürchte, mein Mann treibt den Jungen früher oder später in den Wahnsinn. Er ruft ihn ständig an und schreibt ihm Briefe, er beschattet ihn am Wochenende und in der Mittagspause. Er will einfach nicht einsehen, daß er sich irrt. Er ist wie besessen, Sergeant. Mein Mann verliert allmählich den Verstand.«
    Decker legte ihr die Hand auf die Schulter.
    »Es tut mir so leid«, sagte er.
    Mrs. Bates widmete sich wieder ihren Rosen. Eine Zeitlang sagte keiner von beiden ein Wort. Dann stand Decker auf.
    »Ich melde mich wieder«, sagte er. »Passen Sie auf sich auf, Mrs. Bates.«
    Sie knipste eine langstielige Olympiadenknospe ab und reichte sie ihm, ohne noch einmal hochzusehen.
     
    Alles Beten half nichts. Er steckte den Taschensiddur ein und suchte Zuflucht bei einer Adresse, die er noch gut von früher her kannte.
    Der Schuppen, eine ehemalige Oben-ohne-Bar, war seit fünf Jahren eine Polizistenkneipe. Decker winkte einer Traube von Uniformierten zu, die lachend an einem Ecktisch saßen, und suchte sich einen Platz am hintersten Ende der Theke. Er war seit zwei Jahren nicht mehr hier gewesen, aber noch immer stand derselbe alte Barmann hinter der Theke und polierte dieselben alten Gläser. Er begrüßte Decker mit einem Kopfnicken.
    »Was darf’s denn sein, Pete?« fragte er.
    »Einen doppelten Scotch, ohne alles.« Decker steckte sich eine

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