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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Die-Blutung-stillen-den-Schock-behandeln-wir-müssen-sie-zum-Helikopter-schaffen. Er schüttelte heftig den Kopf. Seine Gedanken wanderten zurück zu den zerstörten jungen Gesichtern im Hotel Hell. Und zu Lindsey, deren Fleisch sich dunkel verfärbte, nässte, in den Flammen briet. Er schloß die Augen, aber der Alptraum wollte nicht weichen.
    Durch ein Hupen wurde er plötzlich gewahr, daß der Wagen auf die Gegenfahrbahn zu geraten drohte. Als er das Lenkrad herumriß, wäre er um ein Haar mit dem Fahrzeug neben ihm kollidiert. Er trat das Gaspedal durch und raste zur Jeschiwa. Irgendwie kam er heil dort an.
    Es war kurz vor Mitternacht, alles lag ruhig und friedlich da. Als er an Rinas Tür hämmerte, hallte es laut.
    »Wer ist da?« hörte er sie verwundert fragen.
    Er hatte sie erschreckt.
    »Peter«, flüsterte er. Aber sie hörte ihn nicht und wiederholte mit dünner, ängstlicher Stimme ihre Frage.
    »Ich bin es, Peter«, sagte er.
    Sie entriegelte die Tür.
    »Du hast mich er … Was ist mit dir?«
    Decker ging ins Haus und fing sogleich an, ziellos auf und ab zu laufen.
    »Ich habe ihn verbrannt«, sagte er, sich den Schweiß mit dem Jackenärmel aus dem Gesicht wischend.
    »Ist ja gut«, sagte sie. »Jetzt beruhig dich erst mal und erzähl mir, was passiert ist.«
    Er raufte sich die Haare.
    »Du verstehst nicht. Ich habe ihn mit einer Zigarette verbrannt.«
    Er holte den Siddur heraus und warf ihn auf den Boden.
    Sie hob ihn auf. Ein Engel, dachte er. Unter ihrem Morgenmantel sah er ein durchscheinendes, weißes Nachthemd. Er konnte die Umrisse ihres Körpers erkennen, sonst nichts.
    »Setz dich, Schatz«, sagte sie leise. »Ich ziehe mir schnell was an. Dann können wir reden.«
    Er packte ihren Arm.
    »Glaub mir! Es war ein Unfall! Es war keine Absicht!«
    Als sie sich zu ihm beugte, um seine Hand zu streicheln, zuckte sie unwillkürlich zurück. Er hatte eine Fahne.
    »Das weiß ich doch. Ist ja gut, Peter. Alles wird wieder gut.«
    »Es war verdammt noch mal keine Absicht! Es war ein verfluchter Unfall! Er sollte nicht verbrennen, und sie sollte auch nicht verbrennen. Keiner sollte verbrennen!« Der Schweiß tropfte ihm von Stirn und Nase. »Es tut mir so verdammt leid.«
    »Ist ja schon gut.« Sie nahm ihn in die Arme. Er schmiegte sich an sie.
    »Halt mich fest, Rina«, sagte er und küßte sie auf Wange und Hals. Er schob ihr das Nachthemd von der Schulter und entblößte ihre zarte, weiße Haut. Er küßte und leckte sie und biß zärtlich in ihre köstlich duftende Haut.
    »Liebe mich, Baby«, sagte er leise. »Bitte, liebe mich heut nacht.«
    17
    Noch ehe er völlig wach war, wußte er, daß er sich gleich würde übergeben müssen. Decker hatte nur einen Gedanken: Er mußte es unbedingt bis ins Bad schaffen. Als er die Augen aufmachte, stellte er entsetzt fest, daß er nicht in seinem eigenen Bett lag. Ohne den Kopf zu bewegen, blickte er sich um. Der Raum kam ihm irgendwie bekannt vor, am vertrautesten aber war ihm der Duft. Rinas Schlafzimmer.
    Er konnte sich nicht erinnern, wie er hierher gekommen war.
    In seiner Unterwäsche lag er unter glatten Laken, die so verlockend weich waren, daß er sich am liebsten noch einmal auf die andere Seite gedreht hätte. Doch da meldete sich sein Magen wieder, und er wußte, daß er sich noch im Bett übergeben würde, wenn er nicht schleunigst eine Toilette fand. Alles war ruhig. Hoffentlich war niemand zu Hause, dann konnte er ins Bad huschen, ohne gesehen zu werden.
    Als er sich langsam aufsetzte, drehte sich alles um ihn. Er stellte sich hin, schwankte, kippte aber nicht um. Taumelnd schleppte er sich ins Bad und kniete sich über die Toilettenschüssel. Sobald er sich erbrochen hatte, ging es ihm besser. Auf einer Ablage fand er ein Handtuch, einen Elektrorasierer und ein Fläschchen Aspirin. Nachdem er zwei Tabletten geschluckt und sich den Mund ausgespült hatte, wusch er sich Gesicht und Hals und rasierte sich. Zurück im Schlafzimmer entdeckte er zwei T’filin und einen Siddur auf der Kommode. Auf seinen Sachen, die ordentlich gefaltet über einem Sessel hingen, lagen seine Waffe, das Holster und eine Nachricht von Rina.
    Kaffee steht auf dem Ofen. Orangensaft ist im Kühlschrank. Der Schlüssel steckt. Schließ bitte ab, wenn du gehst, und wirf den Schlüssel in den Briefkasten.
    Er nahm die Phylakterien in die Hand, legte sie aber schnell wieder weg. Alles leere Worte. Die Heuchelei konnte er sich sparen.
    Er goß sich eine Tasse Kaffee ein.

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