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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Gräfin, die ebenfalls ein rotes Gewand trug, schmierte sich Lindseys Blut ins Gesicht. Plötzlich zückte der geschminkte Mann eine .38er und schoß das Mädchen in Brust und Stirn. Sie zuckte bei jeder Kugel zusammen, entleerte sich und starb. Decker sah, wie die Gräfin eine klare Flüssigkeit aus einem Blechkanister über sie goß und ein Streichholz anriß. Lindsey fing an zu schmelzen, knisternd verkohlte ihre Haut, untermalt von sonoren Gesängen.
    »Herr im Himmel!« stöhnte jemand.
    »Ausmachen, sofort ausmachen«, brüllte die Polizistin. »Mein Gott!«
    »Heilige Mutter Gottes«, flüsterte ein anderer Beamter, der nur noch ungläubig den Kopf schütteln konnte.
    Der Film blieb stehen. Decker übergab sich.

16
    Um fünf Uhr in der Früh, als er mit der Schreibtischarbeit fertig war, fuhr er nach Hause, um ein bißchen Schlaf nachzuholen. Anfangs hatte er keine Träume, alles war schwarz. Aber später überfielen sie ihn doch – Bilder, Gerüche, Geräusche. Er wälzte sich im Bett herum und zerriß die schweißgetränkten Laken. Um zehn Uhr sah er ein, daß an Schlaf nicht zu denken war. Er mußte sich in die Arbeit stürzen, das war die beste Medizin.
    Nachdem er sich geduscht, rasiert und angezogen hatte, betete er noch schnell. An diesem Tag hatten die Gebete wenig Bedeutung für ihn, es waren Worte ohne Inhalt. Und zum ersten Mal seit drei Monaten frühstückte er in einem nicht-koscheren Restaurant. Er aß nichts, was sich direkt als treife hätte bezeichnen lassen, Speck oder Schinken zum Beispiel, aber es war ihm scheißegal, ob die Eier in Schmalz gebraten waren oder das Brot tierisches Fett enthielt. Er verschlang drei Spiegeleier, vier Scheiben Toast und eine doppelte Portion Bratkartoffeln und trank ein großes Glas Orangensaft sowie drei Tassen Kaffee dazu. Mit vollem Magen fühlte er sich deutlich besser, und er war selbst überrascht, daß er kein schlechtes Gewissen hatte.
    Frisch gestärkt fuhr er aufs Revier.
    Er erledigte noch rasch den zwischenzeitlich angefallenen Papierkram, warf einen Blick auf seine Armbanduhr und begab sich in den Vorführraum.
     
    Der Captain schaltete den Projektor aus und machte Licht. Keiner der beiden Männer sagte ein Wort. Beim zweiten Mal war es für Decker auch nicht leichter gewesen als beim ersten. Wenn überhaupt, war es ihm eher noch schwerer gefallen, Lindseys Ermordung mit anzusehen. Die Bilder hatten sich ihm auf ewig ins Gedächtnis eingebrannt. Ein Fluch. Aber nun hatte er sich auf das zu konzentrieren, was getan werden mußte.
    Der Schluß des Films lieferte den Beweis dafür, daß Clementine recht gehabt hatte. Irgend etwas war schief gelaufen. Die letzten Einstellungen zeigten den entsetzten Gesichtsausdruck der Gräfin und die angstvoll aufgerissenen Augen des geschminkten Mannes. Im nächsten Augenblick griff sich die Gräfin an die Brust, und der Film brach ab. Obwohl Decker keine Waffe sah, kein Mündungsfeuer und kein Blut, wußte er, was geschehen war. Die Gräfin war erschossen worden. Das Grauen in ihren Augen war nicht gespielt.
    »Dieser Mann in dem Film, wer ist das?« fragte Morrison.
    »Genaueres kann ich Ihnen nicht über ihn sagen. Ich vermute, daß er der Komplize der Gräfin ist. Sein Spitzname ist Blade, aber außer diesem Zuhälter Clementine habe ich noch keinen gefunden, der etwas über ihn weiß.«
    »Dann greifen Sie sich Clementine, und quetschen Sie ihn aus«, sagte Morrison. »Allerdings werden wir ihn auf Grund des Films wohl kaum eindeutig identifizieren können. Der Typ war ja angemalt wie ein Indianer.«
    »Captain?«
    »Ja?«
    »Ich denke, er ist auch tot.«
    Morrison stieß einen lauten Seufzer aus.
    »Ich stelle es mir so vor«, sagte Decker. »Die Gräfin wurde am Ende des Films kaltgemacht. Damit hatte keiner gerechnet, davon stand nichts im Drehbuch. Ihr Typ sah genauso überrascht aus wie sie. Wahrscheinlich hat man die beiden – genau wie die kleine Bates – umgebracht, verbrannt und in den Bergen verscharrt.«
    »Dann müßte da oben also noch eine verkohlte Leiche liegen.«
    »Davon gehe ich aus«, sagte Decker.
    Morrison mußte diese Hypothese erst einmal verdauen.
    »Hat Pode die Filme gedreht?« fragte er dann.
    »Er hat sie verkauft, und er hat Lindsey gekidnappt. Aber ich glaube nicht, daß er der Kopf des Unternehmens war, eher ein Mitläufer. Und der eigentliche Drahtzieher ist uns bis jetzt noch nicht ins Netz gegangen. Zu schade, daß Pode gestern abend ins Gras beißen mußte.« Decker

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