Das Hospital der Verklärung.
werden sie sofort geschnappt.«
»Also dann, wen verstecken?« fragte Krzeczotek gereizt.
»Nun, ich sagte doch: die Wertvollsten«, wiederholte Rygier.
»Ich habe nicht über Wert oder Unwert zu entscheiden. Es geht darum, daß sie die anderen nicht verraten, und nur darum«, sagte Pajączkowski.
»Also doch eine Selektion?«
»Bitte, gehen Sie jetzt auf Ihre Abteilungen … Und Sie, Kollegin, sind so gut und weihen das Pflegepersonal ein.«
Alle drängten zur Tür. Pajączkowski hielt sich abseits, mit beiden Händen auf einen Stuhl gestützt. Stefan, der als letzter hinausging, hörte ihn flüstern.
»Wie bitte?« fragte er in dem Glauben, Pajączkowski habe zu ihm gesprochen. Aber der Greis hörte seine Frage nicht.
»Sie … sie werden solche Angst haben …«, murmelte er fast ohne Atem.
In dieser Nacht kam niemand zum Schlafen. Die Selektion erbrachte ein recht zweifelhaftes Ergebnis: etwa zwanzig Kranke; und auch da konnte sich keiner verbürgen, daß ihre Nerven standhalten würden. Die inoffizielle Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer über den gesamten Komplex. Józef der Jüngere lief mit wehenden Kittelschößen umher, bemüht, dem Adjunkten keinen Schritt von der Seite zu weichen, und stammelte unausgesetzt etwas von Frau und Kindern.
Auf der Frauenstation tanzte eine halbnackte Menge mit dünnem, verzweifeltem Winseln in einer trüben Wolke von Staub und Bettfedern. Stefan und Staszek hatten die mageren Vorräte der kleinen Apotheke innerhalb von zwei Stunden fast völlig aufgebraucht, indem sie das bisher sorgsamst gehütete Luminal und Skopolamin mit vollen Händen verteilten, übrigens mit sehr mäßigem Erfolg. Stefan nahm selbst zwei Schluck aus der großen Bromflasche. Das forderte Rygiers Spott heraus, denn er zog den Spiritus allen Medikamenten vor. Etwas später beobachtete Stefan, wie sich Marglewski zum Tor hinausschlich, beladen mit zwei schweren Koffern und einem Rucksack, der vollgestopft war mit den Karteikarten zu seiner Arbeit über die Genies. Kauters verschwand noch vor Mitternacht in seiner Wohnung. Das Chaos wuchs von Minute zu Minute. Jeder Pavillon brüllte in einer anderen Stimmlage – Resultate aus dem Schrei vieler Kehlen. Stefan rannte ganz unsinnig mehrere Male auf sein Zimmer, wobei er an der Tür des Professors vorüberkam.
Ein schmaler Lichtstreifen schimmerte durch die Ritze. Aber kein Laut drang heraus.
Anfangs schien es undurchführbar, die Kranken auf dem Anwesen zu verstecken. Pajączkowski indes stellte die Ärzte vor vollendete Tatsachen, indem er kurzerhand elf Schizophrene im Gerätehaus und drei in seiner Wohnung unterbrachte. Die Tür verrammelte er mit einem Schrank, der dann wieder abgerückt werden mußte, weil der angeblich gesündeste Schizophrene einen Anfall bekam. In der Eile bröckelte beim Wegschieben des Schrankes ein beträchtliches Stück Putz ab, und Pajączkowski bemühte sich eigenhändig, die Stelle mit einem kleinen Vorhang zu verdecken. Stefan stürzte einige Male die Treppe hinauf in seine Behausung; wäre nicht die allgemeine Aufregung gewesen, dann hätte ihn der Anblick des Greises vielleicht freuen können, der da, ein Dutzend Nägel im Mund, auf einem von Józef krampfhaft festgehaltenen Stuhl balancierte und die Portiere festmachte. Es wurde verfügt, daß die Kranken nur bei den Ärzten versteckt werden sollten, die wenigstens zwei Zimmer besaßen. Also kamen lediglich Kauters und Rygier in Frage. Der letzte, der schon tüchtig angetrunken war, erklärte sich bereit, einige Leute aufzunehmen. Mittlerweile war Stefan in den Saal gegangen, um seinen jungen Bildhauer herauszuholen. Als er die Tür öffnete, geriet er in einen Haufen brüllender Menschen.
Lange Lakenfetzen wirbelten um die wenigen Lampen, die noch heil waren. Gellende Pfiffe und ein vielstimmiges Hähnekrähen übertönten das allgemeine Tosen. Und etwa alle zehn Sekunden der schrille Schrei, von einer schier berstenden Kehle ausgestoßen: »Der Punische Krieg findet im Schrank statt!« Durch Wolken übelriechender Federn watend, versuchte Stefan, sich an den Wänden entlang durchzuschlagen. Zweimal wurde er umgestoßenund stolperte Paścikowiak vor die Füße, der in unvorstellbar großen Sätzen über die Diele fegte, als wollte er die Schwerkraft überwinden.
Blind in ihrer Wut, vollführten die Wahnsinnigen diabolische Verrenkungen, prallten mit knirschenden Knochen gegen die Wände, krochen unter die Betten, unter denen dann ihre zappelnden
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