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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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ins Hotel New Hampshire zurücktreiben.
    Es gibt sogar ein Schild: Hotel New Hampshire. Vater bestand darauf, und obwohl er es nicht sehen kann - und nichts vermissen würde, wenn das Ganze nur vorgetäuscht wäre -, komme ich ihm mit diesem Zugeständnis gern entgegen, auch wenn es hin und wieder lästig wird. Manchmal verirren sich nämlich Touristen und finden dann uns; sie sehen das Schild und glauben, wir seien wirklich ein Hotel. Ich habe Vater ein sehr kompliziertes System erklärt, das wir uns aufgrund des »Erfolges« in diesem Hotelbetrieb erlauben können. Wenn uns die verirrten Touristen finden und nach Zimmern fragen, kommt von uns die Frage, ob sie vorbestellt haben.
    Sie sagen natürlich nein, aber dann - angesichts der Stille, angesichts dieser Atmosphäre des Friedens und der Abgeschiedenheit, die wir im dritten Hotel New Hampshire zustande gebracht haben - fragen sie unweigerlich: »Aber es sind doch bestimmt Zimmer frei?«
    »Es sind keine Zimmer frei«, sagen wir immer. »Ohne Vorbestellung sind bei uns keine Zimmer zu haben.«
    Manchmal bohrt Vater in diesem Punkt nach. »Aber wir haben doch bestimmt Platz für sie«, zischt er dann. »Sie scheinen sehr nett. Ich höre auch ein paar Kinder, die sich offenbar streiten; und die Mutter hört sich müde an - sie haben wahrscheinlich eine lange Autofahrt hinter sich.«
    »Wir müssen unseren Standard halten, Pop«, sage ich. »Was würden wohl unsere anderen Gäste sagen, wenn wir so etwas einreißen ließen?«
    »Ich mein ja nur, es ist so exklusiv«, flüstert er verwundert.
    »Ich wußte zwar schon immer, daß das hier ein ganz besonderes Hotel ist, aber irgendwie hätte ich nicht im Traum geglaubt, daß es tatsächlich ...« Und gewöhnlich bricht er genau an der Stelle ab und lächelt. Und dann fügt er hinzu: »Was meinst du, wie das deiner Mutter gefallen hätte!« Der Baseballschläger beschreibt einen großen Bogen, und führt Mutter alles vor Augen.
    Und ich sage, ohne daß in meiner Stimme die geringste Einschränkung mitschwingt: »Es hätte ihr bestimmt gefallen, Pop.«
    »Vielleicht nicht jede Minute«, fügt mein Vater nachdenklich hinzu, »aber wenigstens dieser Abschnitt. Wenigstens das Ende.«
    Lillys Ende war, berücksichtigt man ihre Gefolgschaft mit ihrem ganzen Kult, so still, wie wir es uns nur wünschen konnten. Ich wollte, ich hätte den Mut gehabt, Donald Justice um eine Elegie zu bitten, aber es war - im Rahmen der Möglichkeiten - ein Familienbegräbnis. Junior Jones war da; er saß neben Franny, und ich konnte nicht umhin, die vollkommene Harmonie zu bemerken, mit der sie sich an der Hand hielten. Oft wird einem erst bei einem Begräbnis klar, wer älter geworden ist. Ich stellte fest, daß Junior ein paar sanfte Fältchen mehr um die Augen hatte; er war mittlerweile ein sehr hart arbeitender Rechtsanwalt - solange er Jura studierte, hatten wir kaum etwas von ihm gehört; er verschwand während des Studiums fast ebenso vollkommen von der Bildfläche, wie er einst bei den Cleveland Browns unter einem Haufen Footballspieler verschwunden war. Ich vermute, beim Jurastudium und beim Football geht es ähnlich kurzsichtig zu. Die Footballspiele in der vordersten Abwehrkette hatten Junior, wie er selbst oft sagte, auf das Jurastudium vorbereitet. Knochenarbeit, aber langweilig, langweilig, langweilig.
    Nun leitete Junior den Schwarzen Arm des Gesetzes, und ich wußte, daß Franny immer bei ihm wohnte, wenn sie in New York zu tun hatte.
    Sie waren beide Stars, und ich dachte mir, vielleicht konnten sie endlich ungezwungen miteinander umgehen. Aber bei Lillys Begräbnis konnte ich nur noch denken, wie glücklich Lilly gewesen wäre, hätte sie die beiden so zusammen gesehen.
    Vater, der neben Susie dem Bären saß, hatte seinen Baseballschläger zwischen den Knien, das schwerere Ende am Boden - und er schwankte nur ganz leicht. Und beim Gehen - an Susies Arm, geführt von Freuds ehemaligem Blindenbären - trug er die Louisville-Keule mit großer Würde, als sei sie lediglich ein stabiler Spazierstock.
    Susie war ein Wrack, aber beim Begräbnis riß sie sich zusammen - Vater zuliebe, glaube ich. Sie verehrte meinen Vater seit seinem wundersamen Schlag mit der Louisville-Keule - jenem legendären, instinktiven Schlag, der Ernst den Pornographen weggefegt hatte. In der Zeit danach, bis hin zu Lillys Selbstmord, war Susie der Bär viel unterwegs gewesen. Sie hatte die Ostküste verlassen, um in den Westen zu gehen, und war dann wieder

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