Das Hotel New Hampshire
in den Osten zurückgekommen. Eine Zeitlang leitete sie eine Kommune in Vermont. »Unter meiner Leitung ging es steil bergab«, erzählte sie uns lachend. Sie richtete in Boston eine Beratungsstelle für Familien ein, die sich zu einer Kindertagesstätte weiterentwickelte (weil es dafür einen größeren Bedarf gab), die sich ihrerseits zu einem Vergewaltigungs-Notrufzentrum weiterentwickelte (sobald es überall Kindertagesstätten gab). Das VergewaltigungsNotrufzentrum wurde in Boston nicht gerade willkommen geheißen, und Susie gibt zu, daß nicht die ganze Feindseligkeit von außen kam. Es gab natürlich überall Vergewaltigungsfreunde, Frauenhasser und alle möglichen dummen Menschen, die bereitwillig annahmen, daß Frauen, die in einem Vergewaltigungs-Notrufzentrum arbeiteten, mit Susies Worten »eingefleischte Lesben und feministische Unruhestifter« sein mußten. Die Bostoner machten Susie und ihrem ersten VergewaltigungsNotrufzentrum das Leben ziemlich schwer. Anscheinend um ihren Standpunkt deutlich zu machen, vergewaltigten sie sogar eine der Angestellten des Zentrums. Aber selbst Susie gibt zu, daß in der Frühzeit des Zentrums ein Teil der dort arbeitenden Frauen tatsächlich »eingefleischte Lesben und feministische Unruhestifter« waren; es waren einfach Männerhasserinnen, und so kam ein Teil der Schwierigkeiten im Vergewaltigungs-Notrufzentrum auch von innen. Einige dieser Frauen waren einfach Anhängerinnen einer Art Anti-System-Philosophie, nur daß ihnen Franks Sinn für Humor abging, und wenn sich die Vollstreckungsbeamten gegen die Frauen stellten, die in Vergewaltigungsfällen endlich mal für ein bißchen Gerechtigkeit sorgen wollten, so stellten sich umgekehrt die Frauen generell gegen das bestehende Recht - nur dem Opfer nützte das alles nicht viel.
Susies Vergewaltigungs-Notrufzentrum in Boston wurde geschlossen, als ein paar der Männerhasserinnen auf einem Parkplatz in Back Bay einen mutmaßlichen Vergewaltiger kastrierten. Susie war nach New York zurückgekommen - sie hatte sich wieder der Familienberatung zugewandt. Sie spezialisierte sich auf Fälle von Kindermißhandlung - wobei sie sich mit den Kindern und den prügelnden Eltern »auseinandersetzte«, wie sie es nannte -, aber sie hatte New York gründlich satt (sie sagte, es mache keinen Spaß, in Greenwich Village zu leben, wenn man kein Bär sei), und sie war überzeugt, daß ihre Zukunft in der Beratung von Vergewaltigungsopfern lag.
Nachdem ich ihre Vorstellung 1964 im Stanhope erlebt hatte, mußte ich ihr zustimmen. Franny sagte immer, Susies Vorstellung sei besser gewesen als alles, was sie, Franny, je zuwege bringen würde, und Franny ist sehr gut. Die Art und Weise, wie Franny bei der Auseinandersetzung mit Chipper Dove ihre aus einem Satz bestehende Rolle durchstand, muß ihr das notwendige Selbstvertrauen gegeben haben. Tatsächlich ließ Franny in allen ihren späteren Filmen diesen alten Satz Wiederaufleben: »Sieh mal an, wen haben wir denn da.« Sie findet immer eine Stelle, an der sie diesen reizenden Satz unterbringen kann. Sie tritt natürlich nicht unter ihrem eigenen Namen auf. Das tun Filmstars fast nie. Und Franny Berry ist nicht gerade ein Name, den die Leute zur Kenntnis nehmen. Frannys Name für Hollywood, ihr Schauspielername, ist Ihnen ein Begriff. Das hier ist unsere Familiengeschichte, und es ziemt sich nicht, daß ich Frannys Künstlernamen nenne -, aber ich weiß, daß Sie sie alle kennen. Franny ist diejenige, die jeder begehrt. Sie ist die Beste, selbst in der Rolle des Bösewichts; sie ist immer der eigentliche Held, selbst wenn sie stirbt, selbst wenn sie aus Liebe stirbt - oder, schlimmer, im Krieg. Sie ist die Schönste, die Unnahbarste, aber irgendwie auch die Verwundbarste - und die Abgebrühteste. (Sie ist der Grund, weshalb Sie ins Kino gehen, oder weshalb Sie im Kino bleiben.) Nun träumen also andere von ihr - nun, da sie mich davon befreit hat, auf so verheerende Art von ihr träumen zu müssen. Heute kann ich mit meinen Träumen von Franny leben, aber unter den Besuchern ihrer Filme muß es Leute geben, die mit ihren Träumen von Franny nicht so gut leben können.
Die Anpassung an ihren Ruhm fiel ihr sehr leicht. Es war eine Anpassung, die Lilly nie geschafft hätte, aber Franny hatte da keine Schwierigkeiten - denn sie war schon immer der Star unserer Familie gewesen. Sie war es gewohnt, die Hauptattraktion zu sein, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen - sie war es gewohnt,
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