Das Hotel New Hampshire
Spektakel und wußte, was los war, und brüllte: »Herrgott nochmal, Fred, du geiles Miststück! Setz deinen Arsch in Bewegung und komm her zu mir, Fred!« Und das taube Faktotum, der ehemalige Hummerfischer, der andere Fred, rief: »Was? Was?« Und ich mußte nach ihm suchen (da Vater sich weigerte) und ihm sagen: »NICHT DU, FRED! ES IST NICHTS, FRED!«
»Ach so«, sagte er dann und ging wieder an die Arbeit. »Hab geglaubt, da ruft jemand.«
Es wäre also für Lilly aussichtslos gewesen, uns in Maine anzurufen. Wir hätten für sie nicht viel mehr tun können, als ein paarmal »Fred!« zu rufen.
Tatsächlich versuchte Lilly, Frank anzurufen. Frank wohnte nicht so weit von ihr weg; er hätte vielleicht helfen können. Wir sagen ihm heute, er hätte ihr vielleicht in diesem einen Fall helfen können, aber wir wissen auch: letztlich bleibt das Unheil obenauf. Lilly erreichte jedenfalls Franks Anrufbeantworter. Frank hatte den persönlichen Auftragsdienst durch eine dieser mechanischen Einrichtungen ersetzt, durch eine dieser nervtötenden Bandaufnahmen.
TAG! HIER IST FRANK - DAS HEISST, EIGENTLICH BIN ICH NICHT HIER (HA HA). EIGENTLICH BIN ICH WEG. WOLLEN SIE EINE NACHRICHT HINTERLASSEN? WARTEN SIE, BIS ES PIEPST, DANN KÖNNEN SIE IHR HERZ AUSSCHÜTTEN.
Franny hinterließ viele Nachrichten, die Frank verärgerten. »Geh fick einen Pfannkuchen, Frank!« schrie Franny in das nervtötende Gerät. »Das kostet mich jedesmal Geld, wenn mir dieser verfickte Apparat antwortet - verfickt und zugenäht, ich bin in Los Angeles, Frank, du Schwachkopf, du Superarsch, du Furz im Sturzflug!« Und dann machte sie alle möglichen furzenden Geräusche und sehr feuchte Küsse, und Frank rief mich an, angewidert wie üblich.
»Also ehrlich«, sagte er. »Ich versteh das nicht von Franny. Sie hat mir auf meinem Tonbandgerät die widerlichste Nachricht hinterlassen! Ich weiß ja, sie hält sich für komisch, aber sie muß doch wissen, daß uns allen ihr vulgäres Gerede langsam reicht! In ihrem Alter paßt das einfach nicht mehr - falls es überhaupt einmal zu ihr gepaßt hat. Du hast dir diese Ausdrücke abgewöhnt; streng dich doch mal an und gewöhn sie ihr auch ab.«
Und immer weiter und weiter.
Lillys Nachricht muß Frank erschreckt haben. Und er kam von seiner abendlichen Verabredung wahrscheinlich schon kurz nach ihrem Anruf zurück; er schaltete das Gerät ein und hörte sich die aufgezeichneten Nachrichten an, während er sich die Zähne putzte und bereits an sein Bett dachte.
Es waren überwiegend geschäftliche Dinge. Der Tennisspieler, dessen Interessen er vertritt, hatte irgendein Problem wegen eines Werbespots für ein Deodorant. Ein Drehbuchautor rief an, um mitzuteilen, ein Regisseur »manipuliere« ihn, und Frank machte sich in Gedanken rasch eine Notiz - und die besagte, daß bei diesem Autor eine Menge »Manipulation« nötig war. Eine berühmte Choreographin kam mit ihrer Autobiographie nicht mehr weiter; es gebe da eine Sperre in ihrer Kindheit, vertraute sie Frank an, der sich weiter um seine Zähne kümmerte. Er spülte den Mund aus, löschte das Licht im Bad, und dann hörte er Lilly.
»Tag, ich bin's«, sagte sie, und es klang, als wolle sie sich entschuldigen - beim Apparat. Lilly entschuldigte sich dauernd. Frank lächelte und schlug seine Bettdecke zurück; er legte immer erst seine Schneiderpuppe ins Bett, bevor er unter die Decke kroch. Es gab eine lange Pause auf dem Tonband, und Frank dachte schon, das Ding sei kaputt; das kam oft genug vor. Aber dann fügte Lilly hinzu: »Ich bin's nur.« Die Müdigkeit in ihrer Stimme ließ Frank nachsehen, wie spät es war, und er wartete mit einiger Beklemmung auf ihre Stimme. In der darauffolgenden Pause flüsterte Frank - daran erinnert er sich noch - ihren Namen. »Red weiter, Lilly«, flüsterte er.
Und Lilly sang ihr kleines Lied, nur ein kleines Bruchstück eines Liedes; es war eines der Heurigenlieder - ein albernes, trauriges Lied, ein Mäuseköniglied. Frank kannte dieses Lied natürlich auswendig.
Verkauft's mei G'wand, ich fahr' in Himmel.
»Heiliger Strohsack, Lilly«, flüsterte Frank zum Tonband hin; er fing an, sich rasch wieder anzuziehen.
»Auf Wiedersehen, Frank«, sagte Lilly auf deutsch, als sie ihr kleines Lied gesungen hatte.
Frank gab ihr keine Antwort. Er lief hinunter zum Columbus Circle und hielt ein Taxi an, das uptown fuhr.
Und wenn Frank auch kein Läufer war, so bin ich doch sicher, daß er die Strecke in einer guten Zeit
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