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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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wieder.
    »Uuuuuuuuuh!« machte die Frau.
    »Huh, huh, huh!« machte der Mann.
    Doch der Texaner war längst abgereist, und in 2 E wohnte keine Frau.
    »Jaik, jaik, jaik!« sagte die Frau.
    »Maff, maff, maff!« sagte der Mann.
    Es war, als habe die verrückte Sprechanlage sie erfunden! Franny hielt meine Hand umklammert. Ich wollte abschalten oder zu einem anderen, ruhigeren Zimmer weitergehen, aber Franny ließ mich nicht.
    »Iiiep!« schrie die Frau.
    »Napp!« sagte der Mann. Eine Lampe fiel um. Dann lachte die Frau, und der Mann begann zu murmeln.
    »Jessas Gott«, sagte mein Vater.
    »Noch eine Lampe«, sagte Mutter und lachte weiter.
    »Wenn wir Gäste wären«, sagte Vater, »müßten wir dafür zahlen!«
    Sie lachten darüber, als hätten sie noch nie so was Komisches gehört.
    »Schalt ab!« sagte Franny. Ich tat es.
    »Irgendwie komisch, nicht?« sagte ich unsicher.
    »Sie müssen das Hotel benützen«, sagte Franny, »nur um von uns wegzukommen!«
    Ich konnte ihren Gedanken nicht folgen.
    »Mein Gott!« sagte Franny. »Sie lieben sich wirklich - sie lieben sich!« Und ich fragte mich, warum ich das für selbstverständlich gehalten hatte und warum es meine Schwester so sehr zu überraschen schien. Franny ließ meine Hand los und schlug sich die Arme um den Leib; sie umarmte sich selbst, als wolle sie sich aufwecken oder wärmen. »Was werde ich denn machen?« sagte sie. »Wie wird es wohl bei mir sein? Was kommt als nächstes?« fragte sie.
    Aber ich konnte nie so weit vorausblicken wie Franny. Im Grunde blickte ich nicht über diesen Augenblick hinaus; ich hatte sogar Ronda Ray vergessen.
    »Du wolltest ein Bad nehmen«, erinnerte ich Franny, die einen solchen Hinweis - oder irgendeinen anderen Rat - zu brauchen schien.
    »Was?« sagte sie.
    »Ein Bad«, sagte ich. »Das kommt als nächstes. Du wolltest ein Bad nehmen.«
    »Ha!« rief Franny. »Zum Teufel damit!« sagte sie. »Ich scheiß auf das Bad!« sagte Franny und hielt sich weiter umschlungen und bewegte sich auf der Stelle, als versuche sie, mit sich selbst zu tanzen. Ich war mir nicht sicher, ob sie glücklich oder durcheinander war, aber als ich anfing, mit ihr herumzualbern - mit ihr zu tanzen und sie zu schubsen und sie unter den Armen zu kitzeln, da schubste und kitzelte und tanzte sie zurück, und wir liefen aus dem Raum mit dem Schaltkasten und die Treppe hinauf, bis zum Absatz im ersten Stock.
    »Regen, Regen, Regen!« begann Franny zu brüllen, und ich wurde schrecklich verlegen; Ronda Ray öffnete die Tür ihres Tagesraumes und blickte uns stirnrunzelnd an.
    »Wir machen gerade einen Regentanz«, erklärte ihr Franny. »Willst du mittanzen?«
    Ronda lächelte. Sie hatte ihr grell orangerotes Nachthemd an. In der Hand hielt sie eine Illustrierte.
    »Im Augenblick nicht«, sagte sie.
    »Regen, es wird Regen geben!« Franny tanzte davon.
    Ronda blickte mich kopfschüttelnd - aber nett - an und machte dann ihre Tür zu.
    Ich lief hinter Franny her nach draußen und jagte sie in den Elliot Park. Wir sahen Mutter und Vater am Fenster neben der Feuerleiter in 2 E. Mutter hatte das Fenster aufgemacht, um uns etwas zuzurufen.
    »Holt Egg und Lilly vom Kino ab!« sagte sie.
    »Was macht ihr denn in dem Zimmer?« rief ich zurück.
    »Wir putzen es!« sagte Mutter.
    »Regen, Regen, Regen!« kreischte Franny, und wir liefen zum Kino.
    Egg und Lilly kamen mit Junior Jones aus der Nachmittagsvorstellung.
    »Das ist ein Kinderfilm«, sagte Franny zu Jones. »Wieso bist du da hingegangen?«
    »Ich bin halt ein großes Kind«, sagte Junior. Auf dem Heimweg hielt er ihre Hand, und dann bummelte Franny mit ihm noch durch das Schulgelände; ich ging mit Egg und Lilly nach Hause.
    »Liebt Franny Junior Jones?« fragte Lilly, ganz ernst.
    »Nun ja, sie mag ihn jedenfalls«, sagte ich. »Er ist ein Freund von ihr.«
    »Was?« sagte Egg.
    Es war kurz vor Thanksgiving. Junior verbrachte die Feiertage bei uns, da ihm seine Eltern nicht genug Geld für die Heimreise schickten. Und mehrere ausländische Dairy-Schüler - für die sich die weite Reise wegen der paar schulfreien Tage nicht lohnte - sollten an Thanksgiving bei uns essen. Junior hatten alle gern im Haus, aber die ausländischen Schüler, die keiner kannte, waren Vaters Idee gewesen - und Mutter hatte zugestimmt, weil das, wie sie uns sagte, zum eigentlichen Sinn von Thanksgiving paßte. Das mochte ja sein, aber wir Kinder hielten nicht viel von der Invasion. Hotelgäste waren etwas anderes - im

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