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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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machen. Dann ging sie mit mir zu Frank in den Schaltraum, und die beiden zählten mir das Geld hin und sagten mir, ich solle es in einem meiner Rennschuhe verstecken - ein dickes Bündel, fast alles Ein- und Fünfdollarscheine.
    »Wie soll ich denn laufen, mit dem Zeug in meinem Schuh?« fragte ich.
    »Heute läufst du doch nicht, du Dummi«, sagte Franny.
    »Wieviel ist das?« fragte ich.
    »Schau erst mal, ob sie was verlangt«, sagte Franny. »Dann kannst du immer noch sehen, ob es reicht.«
    Frank bediente die Knöpfe am Schaltkasten wie der wahnsinnig gewordene Flugleiter im Kontrollturm eines Flughafens unter Beschuß.
    »Und was macht ihr in der Zwischenzeit?« fragte ich.
    »Wir passen einfach auf dich auf«, sagte Frank. »Wenn du dich allzu sehr blamierst, geben wir eine Feueralarmübung durch oder so.«
    »Na großartig!« sagte ich. »Darauf verzichte ich.«
    »Sieh mal, Kleiner«, sagte Franny. »Wir haben das Geld besorgt, wir haben ein Recht aufs Zuhören.«
    »O Mann«, sagte ich.
    »Du machst das schon«, sagte Franny. »Nur nicht nervös werden.«
    »Und wenn nun alles ein Mißverständnis ist?« fragte ich.
    »Genau das ist es, da bin ich überzeugt«, sagte Frank. »In dem Fall«, sagte er, »nimmst du einfach das Geld aus deinem Schuh und sprintest die Treppen rauf und runter.«
    »Alter Miesmacher«, sagte Franny. »Sei still und gib uns die Bettenkontrolle.«
    »Klick, klick, klick, klick: Iowa-Bob war wieder eine U-Bahn, Kilometer unter der Erde; Max Urick schlief hinter seinem Rauschen und fügte sein ganz persönliches Rauschen hinzu; Mrs. Urick und ein, zwei Suppentöpfe köchelten vor sich hin; der Gast in 2 H - die grimmige Tante eines Dairy Schülers namens Bower - schlief mit einem Schnarchen, das sich anhörte, als werde ein Meißel geschliffen.
    »Und ... guten Morgen, Ronda!« flüsterte Franny, als Frank ihr Zimmer einschaltete. Wie köstlich sich das anhörte, wenn Ronda Ray schlief! Wie eine Seebrise, die durch ein Seidengewand weht! Ich spürte, wie meine Achselhöhlen zu schwitzen anfingen.
    »Mach, daß du da raufkommst«, sagte Franny zu mir, »bevor der Regen aufhört.«
    Die Chance war gleich null, wie mir ein Blick aus den kleinen Fenstern im Treppenhaus klarmachte: der Elliot Park war überschwemmt, das Wasser strömte über die Bordsteine und grub sich Rinnen zwischen den Geräten auf dem Spielplatz; aus dem grauen Himmel schüttete es. Ich überlegte, ob ich ein paarmal die Treppen rauf- und runterlaufen sollte - nicht unbedingt zur Erinnerung an die alten Zeiten, sondern weil ich mir dachte, für Ronda sei dies die vertrauteste Art, geweckt zu werden. Aber als ich im Flur vor ihrer Tür stand, kribbelten mir die Fingerspitzen, und ich atmete schon heftig - heftiger als mir bewußt war, wie ich später von Franny erfuhr; sie sagte, sie und Frank hätten mich bereits über die Sprechanlage gehört, bevor Ronda aufstand und die Tür öffnete.
    »Das ist entweder John-O oder ein durchgebrannter Eisenbahnzug«, flüsterte Ronda, bevor sie mich einließ, doch ich konnte nicht reden. Ich war ganz außer Atem, als sei ich schon den ganzen Morgen durchs Treppenhaus gerannt.
    Es war dunkel in ihrem Zimmer, aber ich konnte erkennen, daß sie das Blaue anhatte. Ihr Morgenatem war leicht sauer - aber ich fand, daß er gut roch und daß sie gut roch, obschon ich mir später sagte, daß ihr Geruch einfach wie Frannys Geruch war, nur ein paar Stufen zu weit getrieben.
    »Meine Güte, hast du kalte Knie - das kommt von diesen Hosen ohne Beine!« sagte Ronda Ray. »Komm rein und wärm dich auf.«
    Ich stieg stolpernd aus meinen kurzen Hosen, und sie sagte: »Meine Güte, hast du kalte Arme - das kommt von diesem Unterhemd ohne Ärmel!« Und ich zog es mir ungeschickt über den Kopf. Ich schlüpfte aus meinen Rennschuhen, ohne daß die zusammengerollten Geldscheine zum Vorschein kamen - ich stopfte sie in den Zeh des einen Schuhs.
    Und ich frage mich, ob nicht die Tatsache, daß wir uns unter der Quatschkiste liebten, meine persönliche Einstellung zum Geschlechtsverkehr von diesem Augenblick an bestimmt hat. Selbst heute noch - und ich bin fast vierzig - neige ich zum Flüstern. Ich kann mich erinnern, daß ich auch Ronda Ray bat, nur zu flüstern.
    »Am liebsten hätte ich dir zugerufen: ›Lauter reden!‹«, erzählte mir Franny später. »Es machte mich ganz rasend - all das alberne Flüstern!«
    Aber ich hätte Ronda Ray vielleicht ganz andere Dinge gesagt, wenn ich nicht gewußt

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