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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Hirnregion?

Kapitel 53
     
    »Es geht um Drogen.«
    Mathilde konzentrierte sich auf die weißen Fahrbahnmarkierungen, die ihr ruckweise entgegenflogen. Die Streifen schimmerten vor ihren Augen wie Meeresplankton bei Nacht am Steven der Schiffe. Nach ein paar Minuten warf sie ihrer Beifahrerin einen Blick zu und stierte in ein kreidebleiches, glattes, undurchdringliches Gesicht.
    »Ich bin Drogendealerin«, sagte Anna in nüchternem Ton. »Was man Kurier nennt. Dealer. Schmuggler.«
    Mathilde nickte, als hätte sie mit dieser Enthüllung gerechnet. Im Grunde rechnete sie mit allem, die Wahrheit kannte keine Grenzen mehr. In dieser Nacht würde jeder neue Schritt Schwindel erregend sein.
    Aufmerksam sah sie auf die Straße, langsam strichen die Sekunden vorbei, bevor sie fragte: »Welche Art Drogen? Heroin? Kokain? Amphetamine? Oder was?«
    Bei den letzten Worten hatte sie beinahe geschrien. Ihre Finger trommelten auf das Steuer ein, sie musste sich beruhigen. Sofort.
    Die Stimme sprach weiter: »Heroin. Nur Heroin. Mehrere Kilo bei jeder Reise. Mehr niemals. Von der Türkei nach Europa. An meinem Körper. In meinem Gepäck. Oder mit anderen Mitteln. Es gibt Tricks und Wege. Sie alle zu kennen gehörte zu meinen Aufgaben. Alle.«
    Mathildes Kehle war so trocken, dass ihr jeder Atemzug weh tat.
    »Für... für wen arbeitest du?«
    »Die Regeln haben sich geändert, Mathilde. Je weniger du weißt, desto besser.«
    Anna sprach jetzt in einem merkwürdigen, fast herablassenden Ton.
    »Wie heißt du wirklich?«
    »Ich habe keinen richtigen Namen. Das gehört zu meinem Beruf.«
    »Wie hast du es gemacht? Erklär es mir genau.«
    Anna reagierte wieder mit Schweigen, undurchdringlich wie Granit. Nach einer ganzen Weile fuhr sie fort: »Es war kein sehr berauschendes Leben. Man wird auf Flughäfen älter. Man kennt die besten Orte für Zwischenstopps und die am wenigsten bewachten Grenzen, kennt die kürzesten Informationswege - oder besser gesagt: die schwierigsten. Die Städte, wo das Gepäck auf einen wartet. Die Zollstationen, an denen man durchsucht wird, und die, wo nichts passiert. Man weiß, wo die Laderäume sind, die Transitstellen.«
    Mathilde hörte zu und achtete besonders auf den Klang der Stimme. Noch nie hatte Anna so ehrlich gesprochen.
    »Eine schizophrene Arbeit. Dauernd andere Sprachen sprechen, auf verschiedene Namen hören, mehrere Nationalitäten besitzen. Das einzige Wohnzimmer, das man kennt, sind die VIP-Lounges in den Flughäfen. Und überall die Angst.«
    Mathilde zwinkerte mit den Augen, um die Müdigkeit zu vertreiben, ihre Sicht war getrübt. Die Striche auf der Straße waren verschwommen, wurden in Stücke gerissen. Sie fragte weiter: »Woher kommst du?«
    »Ich habe noch keine genaue Erinnerung. Aber das kommt, ich bin ganz sicher. Im Moment halte ich mich an die Gegenwart. «
    »Was genau ist geschehen? Wie kam es, dass du in Paris in der Tarnung einer Arbeiterin gelandet bist? Warum hast du dein Gesicht verändert?«
    »Die übliche Geschichte. Ich wollte die letzte Lieferung für mich behalten. Meine Auftraggeber täuschen.«
    Sie hielt inne. Jede Erinnerung schien sie Anstrengung zu kosten.
    »Es war letztes Jahr im Juni. Ich sollte die Drogen nach Paris bringen. Eine Sonderlieferung. Sehr wertvoll. Ich hatte einen Kontakt hier, habe aber einen anderen Weg gewählt, das Heroin versteckt und einen ästhetischen Chirurgen aufgesucht. Ich glaube, in diesem Moment standen meine Chancen sehr gut... Aber während meiner Genesung passierte etwas, was ich nicht vorausgesehen hatte, der elfte September. Von einem Tag auf den anderen wurden die Zollstationen zu Mauern. Überall wurde gefilzt und kontrolliert. Ich konnte nicht mehr wie geplant mit den Drogen verschwinden. Ich konnte sie auch nicht in Paris lassen. Ich musste dableiben, warten, bis sich die Lage beruhigte, in dem Wissen, dass meine Auftraggeber alles tun würden, um mich zu finden. Deshalb habe ich mich an einem Ort verborgen, wo niemand auf Anhieb eine Türkin suchen würde, die sich verstecken will. Bei den Türken. Bei den illegalen Arbeiterinnen des 10. Arrondissements. Niemand konnte mich dort finden.«
    Die Stimme erstarb in einer Erschöpfung. Mathilde bemühte sich, die Flamme neu zu beleben: »Und was passierte danach? Wie haben dich die Bullen entdeckt? Wussten sie etwas von den Drogen?«
    »So war das nicht. Es ist noch unscharf, aber ich stelle mir die Szene so vor: Im November habe ich in einer Reinigung gearbeitet. Eine

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