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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Hände nach hinten aufgestützt.
    »Wie fühlst du dich?«
    Sie lächelte. Ihre Lippen waren so blass, dass sie sich kaum von der übrigen Gesichtshaut unterschieden.
    Ackermann kam zurück und stellte die letzten Maschinen ab.
    »Wie fühlst du dich?«, wiederholte sie.
    Anna sah sie zurückhaltend an. In diesem Augenblick begriff Mathilde die Situation. Dies war nicht mehr dieselbe Frau: Die Indigo-Augen lächelten ihr aus dem Inneren eines anderen Bewusstseins entgegen.
    »Hast du 'n Glimmstängel?«, fragte sie mit einer Stimme, die ihren Ausdruck noch suchte.
    Mathilde gab ihr eine Marlboro. Sie folgte der Hand, die sie entgegennahm, mit ihrem Blick. In ihrer Vorstellung erschien sie ihr mit Hennabildern bemalt. Blumen, Zacken, Schlangen, die sich um eine geschlossene Faust winden. Eine tätowierte Faust, die eine Maschinenpistole umschließt...
    Die Frau mit dem schwarzen Pony sagte leise hinter den Rauchkringeln ihrer Zigarette: »Ich wäre lieber Anna Heymes.«

Kapitel 52
     
    Der Bahnhof von Falmières, zehn Kilometer westlich von Reims, war ein einsamer, parallel zu den Schienensträngen errichteter Bau auf dem flachen Land. Eine Baracke aus Mühlsteinen zwischen dem Horizont und der Stille der Nacht. Und doch hatte das Gebäude mit der kleinen gelben Laterne und dem Vordach aus gewelltem Glas etwas Beruhigendes. Das Ziegeldach, die blauweiß gestrichenen Wände, der Stakenzaun: Das alles wirkte wie ein handbemaltes Spielzeug, wie die Dekoration einer elektrischen Eisenbahn.
    Mathilde brachte das Auto auf dem Parkplatz zum Stehen. Eric Ackermann hatte gebeten, dass man ihn an einem Bahnhof absetzte.
    »Egal, an welchem. Ich komme schon klar.« Seit dem Verlassen des Krankenhauses hatte niemand ein Wort gesprochen, doch zwischendurch hatte das Schweigen eine andere Färbung angenommen: Hass, Zorn und Misstrauen waren verdrängt worden durch eine seltsame Art Komplizenschaft zwischen den drei Fliehenden. Mathilde stellte den Motor ab. Im Rückspiegel sah sie das blasse Gesicht des Neurologen, der hinten saß - wie eine Klinge aus Nickel. Gleichzeitig stiegen sie aus dem Wagen.
    Draußen wehte ein kräftiger Wind, heftige Böen warfen Klangteppiche auf den Asphalt. In der Ferne gaben zackige Wolken, die sich entfernten wie eine mit Wurfspießen ausgestattete Armee, den Blick auf einen strahlend hellen Mond frei, eine große Frucht mit blauem Fruchtfleisch.
    Mathilde schloss ihren Mantel. Sie hätte etwas darum gegeben, ein wenig Feuchtigkeitscreme bei sich zu haben. Ihr war, als ob jeder Windstoß ihre Haut austrocknete, die Falten in ihrem Gesicht vertiefte.
    Sie gingen bis zu dem mit Blumen bewachsenen Zaun, immer noch ohne ein Wort zu sprechen. Sie musste an einen Geiselaustausch zur Zeit des Kalten Krieges auf einer Brücke des früheren Berlin denken - Auf Wiedersehen sagen konnte man sich nicht.
    Anna fragte plötzlich: »Und Laurent?«
    Sie hatte schon auf dem Parkplatz an der Place d'Anvers nach ihm gefragt. Das war eine andere Seite ihrer Geschichte: das Bekenntnis zu einer Liebe, die andauerte, trotz des Verrats, der Lügen, der Grausamkeit.
    Ackermann schien zu erschöpft, um zu lügen: »Es gibt, ehrlich gesagt, wenig Aussichten, dass er noch am Leben ist. Charlier wird alle Spuren ausradieren. Und Heymes war nicht zuverlässig. Er wäre beim kleinsten Verhör zusammengebrochen. Es hätte ihm nicht mal was ausgemacht, sich selbst zu stellen. Seit dem Tod seiner Frau war er... «
    Der Neurologe schwieg. Einige Augenblicke lang schien Anna dem Wind standzuhalten, dann sackten ihre Schultern zusammen. Sie wandte sich ohne ein Wort um und stieg wieder ins Auto.
    Mathilde sah ein letztes Mal auf den langen Lulatsch mit dem roten Schopf in dem weiten Regenmantel. »Und du?«, fragte sie beinahe mitleidig.
    »Ich fahre ins Elsass. Ich tauche dort in der Masse der Ackermanns unter.«
    Ein gackerndes Lachen erfasste seinen mageren Körper. Dann fügte er übertrieben begeistert hinzu: »Ich werde eine andere Bestimmung finden. Ich bin Nomade!«
    Mathilde antwortete nicht. Er machte eine schlotternde Bewegung, die Aktentasche eng an den Körper gepresst, dieselbe wie in Studienzeiten. Dann öffnete er den Mund, zögerte und flüsterte schließlich: »Jedenfalls vielen Dank.«
    Er hob den Zeigefinger zum Cowboy-Gruß und wandte sich dem einsamen Bahnhof zu, die Schultern im Wind. Wohin fuhr er? »Ich werde eine andere Bestimmung finden. Ich bin Nomade!«
    Meinte er ein Land der Erde oder eine neue

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