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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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musste. Sie wollte dem Feind entgegentreten und Eric Ackermann überraschen, trotz der Gefahren, die das mit sich brachte.
    Sie hielt nun selbst das Heft in der Hand.
    Dann war bei dem Verhör in der Parkgarage Sema Gokalp aufgetaucht, die geheimnisvolle und mit allerlei Widersprüchen behaftete Arbeiterin. Die Illegale, aus Anatolien stammend, die perfekt Französisch sprach. Die unter Schock stehende Gefangene, deren Schweigen und manipuliertes Gesicht eine andere Vergangenheit verhüllte ... Wer war dieses Wesen, das sich so sehr verändern konnte, dass es ein anderer Mensch wurde?
    Die Antwort würden sie erfahren, wenn sie ihr Gedächtnis wiedergefunden hätte. Anna Heymes. Sema Gokalp... Sie war wie eine russische Matruschka mit übereinander gestülpten Identitäten: Jeder Name und jede Figur bargen ein neues Geheimnis.
    Eric Ackermann verließ seinen Stuhl und zog die Kanüle aus Annas Arm... Das Experiment war beendet. Mathilde reckte sich und versuchte zum letzten Mal, ihre Gedanken zu ordnen, vergeblich. Stattdessen tauchte ein neues Bild vor ihrem inneren Auge auf.
    Henna, die roten Linien auf den Händen muslimischer Frauen, die eine radikale Grenze zwischen ihrer Pariser Welt und der entfernten Welt Sema Gokalps zu zeichnen schien. Eine Welt der Wüste, der von Familien geplanten Hochzeiten, der althergebrachten Rituale. Eine wilde und erschreckende Welt, entstanden im Schatten von brennend heißen Winden, Raubtieren und Gestein.
    Mathilde schloss die Augen.
    Hände mit Tätowierung; braune Arabesken, in schwieligen Handflächen, um die Handgelenke und muskulösen Finger miteinander verflochten; kein Zentimeter Haut ist mehr frei von solchen Zeichnungen; die rote Linie wird niemals unterbrochen; sie läuft, entfaltet sich, kehrt zurück in Schleifen und Ziselierungen, bis eine hypnotisierende Landkarte entsteht...
    »Sie schläft.«
    Mathilde fuhr hoch, als Ackermann vor ihr stand. Sein Kittel wehte um seine Schultern wie eine weiße Fahne, Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. Ein Zittern hatte seinen Körper erfasst, und doch strahlte seine Gestalt eine seltsame Sicherheit aus, die Gewissheit des Wissenden bei aller Nervosität des Drogenkonsumenten.
    »Wie ist es gelaufen?«
    Er griff sich eine Zigarette vom Bildschirmtisch, zündete sie an, nahm einen tiefen Zug und antwortete wie durch einen Tunnel von Rauch: »Ich habe ihr erst Flumazenil gespritzt, das Valium-Gegengift, und anschließend die Konditionierung gelöscht, die ich selbst vorgenommen hatte, indem ich jede Gedächtniszone mit I50 durchflutet habe... Ich bin genau denselben Weg rückwärts gegangen.« Er zeichnete eine vertikale Achse mit der Zigarette. »Mit denselben Worten, denselben Symbolen. Schade, dass ich nicht mehr die Fotos und Videos von den Heymes habe, aber ich glaube, die Hauptarbeit ist getan. Im Moment sind ihre Gedanken verwirrt. Nach und nach werden ihre wahren Erinnerungen zurückkehren. Anna Heymes wird verschwinden und der ersten Person ihren Platz zurückgeben. Doch Vorsicht«, er wedelte mit der Zigarette, »das ist alles rein experimentell.«
    Er ist wirklich ein Verrückter, dachte Mathilde, den eine Mischung aus Kälte und Exaltiertheit umgibt. Sie öffnete die Lippen, doch ein neuer Gedanke hielt sie auf: noch einmal das Henna. Die Linien auf der Hand werden lebendig. Die Ringe, die Spiralen, die Schnörkel, bis sie die von Pigmenten geschwärzten Nägel erreichen...
    »Am Anfang wird es kein Vergnügen sein«, fuhr Ackermann fort und zog an seiner Zigarette. »Die verschiedenen Ebenen ihres Gehirns werden sich überschneiden. Manchmal wird sie nicht das Wahre vom Künstlichen unterscheiden. Aber mit der Zeit wird das ursprüngliche Gedächtnis die Oberhand gewinnen. Es kann unter Flumazenil auch zu Krämpfen kommen, aus diesem Grund habe ich ihr ein anderes Zeug gegeben, um die Nebenwirkungen zu mildern... «
    Mathilde strich ihr Haar zurück, sie musste aussehen wie ein Gespenst. »Und die Gesichter?«
    Er wedelte mit einer vagen Handbewegung den Rauch beiseite.
    »Auch das müsste sich wieder geben. Die Eckdaten ihres Gedächtnisses werden zurückkehren. Erinnerungen und Bezugspunkte werden deutlicher hervortreten, und davon ausgehend werden ihre Reaktionen ins Gleichgewicht geraten. Aber noch einmal: Das alles ist sehr neu und... «
    Mathilde nahm eine Bewegung jenseits der Scheibe war. Sie ging sogleich in den Behandlungsraum. Anna saß schon auf dem Tisch des PET und baumelte mit den Beinen, die

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