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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Reinigung unter der Erde in einem türkischen Bad. Ein Ort, wie du ihn dir nicht vorstellen kannst. Er ist kaum mehr als einen Kilometer von deiner Wohnung entfernt. Eines Nachts kamen sie.«
    »Die Bullen?«
    »Nein, die Türken, die meine Auftraggeber geschickt hatten. Sie wussten, dass ich mich dort versteckt hielt. Jemand muss mich verraten haben, ich weiß es nicht... Aber natürlich wussten sie nicht, dass ich mein Gesicht verändert hatte. Sie haben vor meinen Augen ein Mädchen entführt, das mir ähnlich sah. Zeynep Soundso... Als ich diese Mörder wegrennen sah, da überkam mich Angst, ungeheure Angst. Das ist alles, woran ich mich erinnern kann.«
    Mathilde versuchte, die Geschichte zu rekonstruieren und sämtliche Lücken zu füllen: »Wie bist du bei Charlier gelandet?«
    »Ich weiß nichts Genaues darüber, ich stand unter Schock. Die Bullen müssen mich im türkischen Bad gefunden haben, danach sehe ich ein Polizeirevier und ein Krankenhaus vor mir... Irgendwie muss Charlier von meiner Existenz erfahren haben. Eine Arbeiterin, die das Gedächtnis verloren hat. Ohne Aufenthaltsgenehmigung in Frankreich. Das ideale Versuchskaninchen. «
    Anna schien ihre eigene Hypothese abzuwägen und sagte leise: »In meiner Geschichte steckt eine ungeheure Ironie, denn die Bullen haben nie erfahren, wer ich wirklich war. Wider Willen haben sie mich vor den anderen geschützt. Vor den Türken.«
    Mathildes Bauch begann zu schmerzen - Angst, verstärkt durch Müdigkeit. Ihre Sicht wurde schlechter. Die weißen Formen auf der Straße wurden zu Möwen, unscharf zu erkennenden Vögeln, die ruckartig davonflogen.
    Dann tauchten die Schilder der Ringautobahn auf, Paris war nicht mehr weit. Sie konzentrierte sich auf die Fahrbahn und hakte nach: »Wer sind diese Männer, die nach dir suchen?«
    »Vergiss das alles. Ich sage dir noch mal, je weniger du weißt, desto besser wird 's für dich sein.«
    »Ich habe dir geholfen«, zischte sie zwischen den Zähnen hervor. »Ich habe dich geschützt. Rede! Ich will die Wahrheit wissen.«
    Anna zögerte noch immer. Es war ihre Welt, eine Welt, die sie vermutlich noch nie jemandem offenbart hatte.
    »Die türkische Mafia zeichnet sich durch eine Besonderheit aus«, sagte sie schließlich. »Sie benutzt Handlanger, die früher an der politischen Front gekämpft haben. Sie heißen Graue Wölfe. Nationalisten. Rechtsextreme Fanatiker, die an die Rückkehr eines Großtürkischen Reiches glauben. Terroristen, die seit ihrer Kindheit in Lagern ausgebildet worden sind. Ich brauche dir nicht zu sagen, dass Charliers Schergen verglichen mit denen mit Taschenmesser bewaffnete Pfadfinder sind.«
    Die blauen Schilder wurden größer. PORTE DE CLIG-NANCOURT. PORTE DE LA CHAPELLE. Mathilde hatte nur noch eine Idee im Kopf: Diese Zeitbombe an der ersten Taxi-Station loszuwerden. In ihre Wohnung zu fahren und dort Ruhe und Sicherheit wieder zu finden. Sie hatte vor, vierundzwanzig Stunden zu schlafen, danach aufzuwachen und sich zu sagen: »Es war nur ein Albtraum.«
    Sie nahm die Ausfahrt an der Porte de la Chapelle und erklärte: »Ich bleibe bei dir.«
    »Nein. Das geht nicht. Ich habe etwas Wichtiges zu tun.«
    »Was?«
    »Ich muss meine Lieferung abholen.«
    »Ich komme mit.«
    »Nein.«
    Ein Knoten aus Stolz schnürte sich in ihrem Magen zusammen: »Wo ist sie? Wo sind diese Drogen?«
    »Auf dem Friedhof Père-Lachaise.«
    Mathilde warf Anna einen Blick zu. Sie schien ihr zusammengeschrumpft, verhärtet, verdichtet - ein Quarzkristall, zusammengepresst aus den Schichten ihrer Wahrheit.
    »Warum gerade dort?«
    »Zwanzig Kilo. Ich brauchte einen sicheren Ort.«
    »Ich sehe keinen Zusammenhang mit dem Friedhof.«
    Anna lächelte träumerisch, wie zu sich selbst: »Ein bisschen weißes Pulver zwischen all dem grauen... «
    Eine rote Ampel hielt sie auf. Hinter der Kreuzung wurde aus der Rue de la Chapelle die Rue Marx-Dormoy. Mathilde wiederholte in lauterem Ton: »Was hat das mit dem Friedhof zu tun?«
    »Es ist grün. An der Place de la Chapelle fährst du Richtung Stalingrad.«

Kapitel 54
     
    Die Stadt der Toten bestand aus weiten, rechteckig angelegten Straßen, sie war von hohen Bäumen bestanden, die sich ihres Rangs bewusst schienen. Massive Blöcke, Steinmonumente, glatte schwarze Ruhestätten - in der hellen Nacht weiteten sich die Gräberfelder des Friedhofs bis an den Horizont. Ein Geruch von Weihnachten lag in der Luft, und alles schien kristallisiert, umhüllt von der Kuppel der

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