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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Boden zu wachsen schien. Einer der Blöcke war von einem Tuch verschleiert, das die Form einer Leiche umhüllte.
    Schiffer ging auf ein weißes Marmorgefäß zu, das in der Mitte des Raumes stand; schwer und poliert und mit Wasser angefüllt, erinnerte es an ein edles Weihwassergefäß von antiker Klarheit. Eine elektrische Pumpe ließ unaufhörlich warmes Wasser in das Gefäß sprudeln, dessen Eukalyptusduft den Gestank der Toten und den Formaldehydgeruch dämpfen sollte.
    Der Polizist tauchte die Finger hinein.
    »Das alles macht mich nicht gerade jünger.«
    In diesem Moment hörte man die Schritte von Dr. Claude Scarbon, und Schiffer sah sich um. Die beiden Männer musterten einander. Sogleich begriff Paul, dass sie sich kannten. Er hatte den Arzt vom Altenheim aus angerufen, ohne ihm von seinem neuen Partner zu erzählen.
    »Danke, dass Sie gekommen sind, Doktor«, sagte er zur Begrüßung.
    Scarbon nickte kurz mit dem Kopf, ohne den Blick von Chiffre abzuwenden. Er trug einen dunklen Wollmantel und hielt Handschuhe aus Ziegenleder in der Hand. Ein alter, hagerer Mann, der ständig mit den Augen zwinkerte, als sei die Brille auf seiner Nasenspitze völlig nutzlos. Er trug einen mächtigen Gallier-Schnurrbart, durch den seine tragende Stimme drang, die an Sprechstimmen früher Tonfilme erinnerte.
    Paul wies auf seinen Begleiter und sagte: »Darf ich Ihnen Herrn... «
    »Wir kennen uns«, unterbrach Schiffer brüsk. »Tag, Doktor.«
    Ohne zu antworten, zog Scarbon den Mantel aus und schlüpfte in einen Kittel, der hinter ihm unter einem Gewölbebogen hing. Dann streifte er Latex-Handschuhe über, deren helles Grün in dem sie umgebenden Blau verschwamm.
    Dann erst hob er das Tuch von der Leiche. Der Geruch von verwesendem Fleisch breitete sich im Zimmer aus und fegte alle anderen Probleme beiseite.
    Wider Willen sah Paul zur Seite. Als er den Mut aufbrachte hinzusehen, erblickte er die Leiche, schwer und weiß lag der Körper vor ihm, halb verborgen unter dem zurückgeschlagenen Tuch.
    Schiffer war unter die Bogenwölbung getreten und hatte sich Chirurgenhandschuhe übergezogen, sein Gesicht zeigte nicht das geringste Zeichen einer Irritation. Hinter ihm, an der Wand, hing ein Holzkreuz, das von zwei Eisenleuchtern eingefasst war. Mit ausdrucksloser Stimme sagte er: »Gut, Doktor, Sie können anfangen.«

Kapitel 12
     
    »Das Opfer ist weiblichen Geschlechts, von kaukasischer Rasse. Der Muskeltonus lässt erkennen, dass sie zwischen zwanzig und dreißig Jahren alt war. Sie war eher mollig, zweiundsiebzig Kilo bei einer Größe von einem Meter sechzig. Bedenkt man, dass sie die typische weiße Haut von Rothaarigen hatte und die entsprechenden Haare, würde ich sagen, dass sie wie die beiden ersten aussah. Unser Mann mag solche Frauen: um die dreißig, rothaarig und mollig.«
    Scarbon sprach mit monotoner Stimme. Er schien im Geist einen Bericht vorzulesen, betete Zeilen herunter, die er in einer schlaflosen Nacht verfasst hatte. Schiffer fragte: »Keine besonderen Kennzeichen?«
    »Welcher Art?«
    »Tätowierungen, gepiercte Ohren, Spuren eines Ohrrings, Dinge, die der Mörder nicht zerstören konnte.«
    »Nein.«
    Chiffre ergriff die linke Hand des Opfers und drehte den Handteller nach oben. Paul fröstelte. Nie hätte er gewagt, so etwas zu tun.
    »Keine Henna-Spuren?«
    »Nein.«
    »Nerteaux sagte mir, an den Fingern sei zu erkennen, dass sie Näherin war. Was halten Sie davon?«
    Scarbon nickte zustimmend.
    »Diese Frauen haben lange manuell gearbeitet. Ohne jeden Zweifel.«
    »Glauben Sie auch, dass es sich um Näharbeit handelt?«
    »Es ist schwer, das genau zu sagen. In den Rillen der Finger sieht man Spuren von Stichen. Zwischen Daumen und Zeigefinger sind Schwielen zu erkennen. Vielleicht von der Benutzung einer Nähmaschine oder eines Bügeleisens.« Er blickte über seine Brillengläser. »Sie wurden doch in der Nähe des Sentier-Viertels gefunden, oder?«
    »Und was bedeutet das?«
    »Es sind türkische Arbeiterinnen.«
    Schiffer ging auf seinen sicheren Ton nicht ein und musterte den Torso gründlich. Widerwillig trat Paul näher, die schwarzen Einschnitte über den Hüften, Brüsten, Schultern und Schenkeln waren nicht zu übersehen. Manche gingen so tief, dass das Weiß der Knochen durchschimmerte.
    »Sagen Sie uns dazu etwas«, forderte Chiffre ihn auf.
    Der Arzt sah schnell in ein paar zusammengehefteten Blättern nach.
    »Bei dieser hier habe ich siebenundzwanzig Einschnitte gefunden, manchmal

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