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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Verstümmelungen nachgedacht: »Es gibt mehrere Möglichkeiten. Die erste ist, dass der Mörder falsche Spuren legen will. Diese Frauen kannten ihn, und ihre Identifizierung könnte zu ihm führen.«
    »Warum hat er dann nicht auch Zähne und Hände zerstört?«
    »Weil es Illegale sind, über die es keine Unterlagen gibt.«
    Chiffre nickte zustimmend.
    »Und die zweite Möglichkeit?«
    »Ein psychologisches Motiv. Ich habe ziemlich viel darüber gelesen. Die Psychologen sagen, ein Mörder zerstört das Gesicht, weil er die Opfer kennt und ihren Blick nicht erträgt. Damit nimmt er ihnen ihren Status als menschliche Wesen, hält sie auf Distanz, indem er sie zu Gegenständen macht.«
    Schiffer blätterte weiter in den Seiten.
    »Ich halte nicht viel von diesem Psychokram. Was ist die dritte Möglichkeit?«
    »Der Mörder hat generell Probleme mit Gesichtern. Irgendetwas in den Zügen dieser Rothaarigen macht ihm Angst, lässt ein Trauma bei ihm hochkommen. Er muss sie nicht nur töten, sondern dazu noch entstellen. Meiner Meinung nach sehen die Frauen sich ähnlich. Ihr Gesicht löst bei ihm Krisen aus.«
    »Das ist noch schwammiger.«
    »Sie haben die Leichen ja nicht gesehen«, antwortete Paul, seine Stimme überschlug sich. »Wir haben es mit einem Verrückten zu tun. Einem Psychopathen reinsten Wassers. Wir müssen uns auf den Kammerton seines Wahnsinns einstimmen.«
    »Und was ist das hier?«
    Chiffre hatte gerade einen neuen Umschlag geöffnet, in dem sich Fotos antiker Skulpturen befanden. Köpfe, Masken, Büsten. Paul hatte sie aus Museumskatalogen, Touristenführern und Zeitschriften wie Archaeologica und Bulletin du Louvre ausgeschnitten.
    »So eine Idee von mir«, antwortete er. »Ich hatte den Eindruck, dass die Einschnitte an Risse erinnern, an Krater, wie Markierungen in Stein. Und dann die abgehackten Nasen, die zerschnittenen Lippen, die abgefeilten Knochen, es sieht aus wie Gebrauchsspuren. Ich habe mir gedacht, der Mörder lässt sich vielleicht von antiken Statuen inspirieren.«
    »Aha.«
    Paul spürte, wie sein Gesicht errötete. Seine Idee war an den Haaren herbeigezogen, und trotz der Nachforschungen hatte er nicht die geringste Spur gefunden, die den Verletzungen der Körper irgendwie ähnlich sah. Dennoch sagte er unumwunden: »Für den Mörder sind die Frauen vielleicht Göttinnen, die er zugleich verehrt und hasst. Ich bin sicher, dass er Türke ist und sich in der mediterranen Mythologie bestens auskennt.«
    »Du hast zu viel Fantasie.«
    »Sind Sie noch nie Ihrer Intuition gefolgt?«
    »Ich bin nie etwas anderem gefolgt. Aber glaub mir: Alle diese Psychokisten sind zu subjektiv. Besser, man konzentriert sich auf die technischen Fragen, mit denen er zu tun hat.«
    Paul verstand nicht recht.
    »Man muss überlegen, wie er vorgeht. Wenn du Recht hast, dann sind diese Frauen wirklich Illegale, Musliminnen. Keine Musliminnen aus Istanbul mit hohen Absätzen, sondern Bäuerinnen, Wilde, die sich dicht an den Hauswänden entlangdrücken und kein Wort Französisch können. Um sich an sie heranzumachen, muss man sie kennen und Türkisch sprechen. Vielleicht ist unser Mann der Boss einer Werkstatt. Ein Händler. Oder ein Hausmeister. Diese Arbeiterinnen leben unter der Erde in Kellern, in verborgenen Werkstätten, und der Mörder schnappt sie sich, wenn sie wieder nach oben kommen. Wann? Wie? Warum sind diese scheuen Mädchen bereit, ihm zu folgen? Auf diese Fragen muss man eine Antwort finden, wenn man seiner Spur folgen will.«
    Paul war einverstanden, doch alle diese Fragen machten deutlich, wie wenig sie wussten. Es war buchstäblich alles möglich.
    Schiffer sprach ein neues Thema an: »Ich nehme an, du hast alle Morde ähnlicher Art studiert.«
    »Ich habe die neuen Chardon-Dateien durchgesehen und sämtliche verfügbaren Polizeiunterlagen. Ich habe die Jungs von der Kripo befragt: Es hat in Frankreich nie was gegeben, das auch nur im Entferntesten an eine solche bescheuerte Sache erinnert. Ich habe auch in Deutschland bei der türkischen Gemeinde nachgeforscht. Nichts gefunden.«
    »Und in der Türkei?«
    »Dasselbe, nichts, absolut null.«
    Schiffer schlug einen anderen Weg ein, diesmal in Richtung türkisches Viertel: »Hast du die Patrouillen in der Gegend aufgestockt?«
    »Wir haben uns mit Monestier geeinigt, dem Chef von Louis-Blanc. Die Streifen werden verstärkt. Aber vorsichtig, damit es in der Gegend nicht zur Panik kommt.«
    Schiffer brach in Lachen aus: »Was glaubst du? Alle

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