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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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dass er ein guter Polizist war.
    Am sechzehnten März 2002 war im Morgengrauen eine neue Leiche aufgetaucht. Die Dienst habenden Polizisten hatten ihn um fünf Uhr morgens nach einem Hinweis der Müllmänner angerufen. Die Leiche lag im Wassergraben des Krankenhauses Saint-Lazare, einem aufgelassenen Backsteingebäude hinter dem Boulevard Magenta. Paul gab Anweisung, vor dem Ablauf einer Stunde keinen Menschen an die Leiche heranzulassen, griff seine Jacke und eilte zum Tatort. Als er am Ort des Geschehens eintraf, umfing ihn eine absolute Stille: kein Polizist, kein Blaulicht weit und breit, das seine Konzentration hätte stören können.
    Ein wahres Wunder, denn nun konnte er den Spuren des Mörders nachgehen, konnte mit dessen Geruch, Gegenwart und Wahn Kontakt aufnehmen... Doch Paul wurde bitter enttäuscht, wo er auf Indizien oder auf eine Inszenierung gehofft hatte, aus der eine Handschrift abzulesen war. Er fand nichts als eine weggeworfene Leiche in einem Betongraben. Einen blassen, verstümmelten Körper mit entstelltem Gesicht und wachs-farbenem Haar. Paul fühlte sich von zwei Arten der Stille umfangen: der Stille der Toten und der Stille des Viertels.
    Noch bevor der Polizeiwagen eingetroffen war, hatte er geschlagen und verzweifelt den Tatort verlassen. Er war zu Fuß durch die Rue Saint-Denis gestolpert, um zu beobachten, wie die Kleine Türkei erwachte. Händler öffneten ihre Läden, Handwerker machten sich auf den morgendlichen Weg zu ihrer Werkstatt - die tausendundein Türken lebten ihr Leben... Und doch hatte sich in seinem Inneren die Gewissheit eingenistet, dass dieses Migrantenviertel der Wald sein musste, in dem sich der Mörder versteckt hielt. Ein unentwirrbarer Dschungel, in den er sich zurückgezogen hatte, um Unterschlupf und Sicherheit zu finden.
    Allein hatte Paul keine Chance, ihn ausfindig zu machen.
    Er brauchte einen Führer. Einen Pfadfinder.

Kapitel 10
     
    In Zivil machte Jean-Louis Schiffer eine bedeutend bessere Figur. Er trug eine olivgrüne Barbour-Jacke über hellgrünen schweren Cordhosen, die auf seine festen, wie Kastanien glänzenden, rahmengenähten Herrenschuhe à la Church's herabfielen.
    Obgleich diese Kleidung ihm eine gewisse Eleganz verlieh, konnte sie doch die Brutalität seiner Gestalt kaum mindern. Schiffer hatte einen breiten Rücken, einen lang gestreckten Oberkörper und stämmige O-Beine: Alles an diesem Mann strahlte Macht, Stabilität und Gewalttätigkeit aus. Dieser Bulle konnte ohne Mühe den Rückschlag eines Manhurin Kaliber 38 aushalten, ohne nur einen Zentimeter zurückzuweichen. Besser noch: Seine ganze Haltung nahm diesen Rückschlag vorweg, er war Teil seiner natürlichen Bewegungen.
    Als hätte er in Pauls Gedanken gelesen, hob Chiffre die Arme: »Du kannst mich durchsuchen, Kleiner. Ich habe kein Metall dabei.«
    »Das will ich hoffen«, antwortete Paul. »Hier ist nur ein Polizist am Werk. Vergessen Sie das nicht. Und Ihr Kleiner bin ich auch nicht.«
    Schiffer schlug in Hab-Acht-Stellung die Hacken zusammen. Paul zeigte nicht das kleinste Lächeln, öffnete die Wagentür, setzte sich ans Steuer und fuhr los. Seine Befürchtungen ließ er nicht an sich heran.
    Während der Fahrt sprach Chiffre kein Wort. Er hatte sich in die Fotokopien vertieft, die der Akte beilagen. Paul kannte jede Zeile, er wusste alles, was über die anonymen Leichen bekannt war, die er für sich Corpus nannte.
    Als sie sich Paris näherten, nahm Chiffre das Gespräch wieder auf: »Hat die Untersuchung der Tatorte nichts ergeben?«
    »Null.«
    »Hat die Spurensicherung keine Fingerabdrücke gefunden, nicht wenigstens einen Anhaltspunkt?«
    »Nichts.«
    »Auch nicht auf den Leichen?«
    »Auf denen schon gar nicht. Der Gerichtsmediziner sagt, der Mörder reinigt sie mit einem scharfen Mittel. Er desinfiziert die Wunden, wäscht ihnen die Haare, bürstet die Nägel.«
    »Und die Ermittlungen in der Nachbarschaft?«
    »Wie gesagt: Ich habe die Handwerker, Ladenbesitzer, Nutten und Müllmänner in der Umgebung der Fundorte befragt. Ich habe sogar die Clochards ausgequetscht. Niemand hat was gesehen.«
    »Und was meinst du?«
    »Ich glaube, der Mörder fährt mit dem Auto rum und wirft die Leiche weg, so schnell er kann, also in den frühen Morgenstunden. Eine Blitzoperation.«
    Schiffer blätterte die Seiten um und verharrte bei den Fotos der Leichen: »Hast du eine Idee, was das mit den Gesichtern bedeutet?«
    Paul holte tief Luft, nächtelang hatte er über die

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