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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Halluzinationen.
    Sie suchte nach dem Namen des Malers: Francis Bacon. Ein Selbstporträt von 1956. In einer Galerie in der ersten Etage war eine Ausstellung des Malers zu sehen. Anna fand den Eingang, ein paar Türen weiter rechts in der Rue de Téhéran, und stieg die Treppe hinauf.
    Die leuchtend weißen Räume waren durch rote Vorhänge abgeteilt, was der Ausstellung einen feierlichen, fast religiösen Charakter gab. Viele Leute drängten sich um die Bilder, und doch herrschte vollkommenes Schweigen. Eine Art eisigen Respekts vor den Kunstwerken erfüllte den Raum.
    Im ersten Saal sah Anna zwei Meter hohe Gemälde die immer dasselbe Thema darstellten: einen kirchlichen Würdenträger auf einem Thron, der einen purpurfarbenen Umhang trug und schrie, als würde er gerade auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Einmal war er in Rot gemalt, einmal in Schwarz, dann wieder in Blauviolett, doch immer kehrten dieselben Details wieder. Die Hände umklammerten krampfhaft die Armlehne und schienen zu brennen, als seien sie auf verkohltes Holz geklebt. Dazu der schreiende Mund, der einer klaffenden Wunde glich, und bläulich rote Flammen, die von allen Seiten umherschlugen...
    Anna ging durch den ersten Vorhang hindurch und betrat einen Raum mit den Bildnissen nackter Männer, zusammengekauert, gefangen in farbigen Wasserflächen oder einfachen Käfigen. Ihre eingerollten, entstellten Körper ließen sie an wilde Tiere oder tierähnliche Menschenwesen denken, deren Gesichter sich aus scharlachroten rosenförmigen Gebilden, blutenden Schnauzen und verstümmelten Antlitzen zusammensetzten. Die Hintergründe dieser Monstergestalten erinnerten an die Kacheln einer Metzgerei oder eines Schlachthofs. Eine Opferstätte, an der die Leiber zu Gerippen, abgehäuteten Haufen, rohem Aas gemacht wurden. Alles war mit wilden, hektisch zitternden Strichen gemalt, Dokumentaraufnahmen mit beweglicher Kamera, die durch das schnelle Tempo verwackelt wurden.
    Anna spürte eine Übelkeit aufsteigen, doch noch immer hatte sie nicht gefunden, wonach sie suchte: die Gesichter des Leidens.
    Sie erwarteten sie im letzten Raum. Ein Dutzend Bilder kleineren Formats, die von einer Absperrung aus roten Samtschnüren umstellt waren. Man sah Porträts von Menschen, denen man Gewalt angetan hatte, zerrissene, zerschmetterte Leiber, ein Chaos von Lippen, Nasen und Knochen, in dem die Augen verzweifelt ihren Weg suchten.
    Die Bilder waren als Triptychen aufgestellt. Das erste hieß Drei Studien eines menschlichen Kopfes und stammte von 1953. Bläuliche, bleiche, leichenhafte Gesichter trugen die Spuren erster Verletzungen. Das zweite Triptychon, Studie für drei Köpfe (1962), schien die natürliche Fortsetzung des ersten, nur eine Stufe gewalttätiger. Man sah bleiche Gesichter, die sich unter der Schminke eines Clowns den auf sie gerichteten Blicken entzogen - und ihre Verletzungen nur umso eindrücklicher zur Schau stellten. Sie schienen, ähnlich wie die Kinder, die man im Mittelalter verstümmelte, um aus ihnen Narren und Hanswurste zu machen, den Betrachter auf unheimliche Weise zum Lachen aufzufordern.
    Anna ging weiter. Sie erkannte ihre Halluzinationen nicht wieder, obwohl sie umgeben war von Masken des Schreckens. Münder, Backenknochen und Blicke drehten sich im Kreis, ihre Unförmigkeit kehrte wieder und wieder in unerträglichen Spiralen, denn der Maler hatte sich auf solche Gesichter festgelegt. Er hatte sie angegriffen, zerschnitten - und das mit den denkbar schärfsten Waffen, mit Pinsel, Bürsten, Spachtel, Messer. Er hatte Wunden geöffnet, Krusten abgetragen, Wangen zerrissen...
    Anna, gebeugt von Angst, die Schultern hochgezogen, ging weiter. Sie sah nur noch hier und da auf die Bilder, ihre Lider zitterten. Eine Serie von Skizzen, einer gewissen Isabel Rawsthorne gewidmet, bildete den Gipfel der Grausamkeit. Die Züge der dargestellten Frau zersprangen in tausend Stücke. Anna trat zurück, sie suchte verzweifelt nach einem menschlichen Ausdruck in diesen wild durcheinander wirbelnden Fleischteilen, konnte jedoch nur einzelne Fragmente ausmachen, Münder in der Form von Wunden, aus den Höhlen getretene Augen, umgeben von Ringen so rot wie Einschnitte.
    Plötzlich gab sie ihrer Angst nach, drehte sich auf dem Absatz um und eilte zum Ausgang. Sie ging durch den Vorraum der Galerie, sah den Ausstellungskatalog auf einer weißen Theke liegen und blieb stehen.
    Sie musste es sehen - sie musste sein Gesicht sehen.
    Fieberhaft blätterte sie

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