Das Imperium der Woelfe
nichts sagenden Zügen und kraus-grauem Haar, die bestens zu seiner tonlosen Stimme passten. Ein zurückhaltender Mensch mit flüchtigen Bewegungen, ohne jeden Ausdruck, der redete wie durch eine Wand aus Reispapier. Anna begriff, dass sie diesen Schleier durchdringen musste, um die gewünschten Informationen zu bekommen.
»Ich habe mich noch nicht festgelegt«, antwortete sie. »Ich würde gern erst erfahren, mit was für Operationen man ein Gesicht verändern kann.«
»Wie weit verändern?«
»Grundlegend.«
Der Chirurg begann, in fachlichem Ton zu referieren: »Um entscheidende Verbesserungen vorzunehmen, muss man die Knochenstruktur berücksichtigen. Es gibt zwei Haupttechniken. Operationen an der Gesichtsform, die zu stark hervorstehende Züge verändern, und Knochentransplantationen, die im Gegenteil bestimmte Züge betonen.«
»Wie gehen Sie dabei genau vor?«
Der Mann holte tief Luft, er nahm sich Zeit nachzudenken. Sein Sprechzimmer lag im Halbdunkel. Die Fenster waren mit Gardinen verschleiert. Ein schwaches Licht schmeichelte den asiatischen Möbeln. Hier herrschte eine Stimmung wie bei der Beichte.
»Bei der Neuformung«, begann er wieder, »verringern wir die Knochenform unter der Haut. Wenn wir Knochen verpflanzen, entnehmen wir zuerst Knochenteile, meistens aus dem Scheitelbein oben auf dem Schädel, und setzen sie dann auf die entsprechenden Partien. Manchmal verwenden wir auch Prothesen.«
Er öffnete die Hände, und seine Stimme wurde sanfter: »Alles ist möglich, die Hauptsache ist, dass Sie zufrieden sind.«
»Hinterlassen solche Eingriffe Spuren?«
Er lächelte kurz: »Keineswegs. Wir arbeiten mit Endoskopie. Wir gehen mit optischen Kanülen und Mikroinstrumenten unter das Gewebe. Dann operieren wir am Bildschirm. Die Einschnitte sind winzig.«
»Könnte ich Fotos von diesen Narben sehen?«
»Natürlich. Aber fangen wir vorne an, einverstanden? Wir sollten gemeinsam die Art der Operation, die Sie wünschen, festlegen.«
Anna begriff, dass der Mann ihr nur geschönte Bilder zeigen würde, auf denen man keinerlei Spuren sah. Sie fragte andersherum: »Und die Nase ? Was für Möglichkeiten gibt es für die Nase ?«
Voller Skepsis legte sich seine Stirn in Falten, schließlich war Annas Nase gerade, schmal, klein. Nichts zu verändern.
»Würden Sie diesen Gesichtsbereich verändern wollen?«
»Ich überdenke alle Möglichkeiten. Was können Sie in diesem Bereich machen?«
»Nun, auf dem Gebiet der Nase haben wir beachtliche Fortschritte erzielt. Wir können buchstäblich die Nase Ihrer Träume herstellen. Wenn es Sie interessiert, dann können wir sogleich das Profil Ihrer Traumnase entwerfen. Ich habe ein Programm, mit dem man... «
»Aber worin besteht der Eingriff?«
Der Arzt bewegte sich in seiner weißen Kitteljacke.
»Wenn man den gesamten Bereich geglättet hat... «
»Wie denn? Indem man den Knorpel zerbricht?«
Er lächelte noch immer, doch wurden seine Augen aufmerksam. Didier Laferrière versuchte herauszufinden, was Anna wollte. »Zunächst müssen wir natürlich eine ziemlich... heikle Prozedur durchlaufen. Aber alles geschieht unter Narkose.«
»Und was machen Sie anschließend?«
»Wir legen die Knochen und den Knorpel so zurecht, dass die gewünschte Linie entsteht. Noch einmal: Wir arbeiten streng nach Maß.«
Anna fuhr unbeirrt fort: »Aber eine solche Operation muss doch Spuren hinterlassen.«
»Nichts. Die Instrumente werden durch die Nasenlöcher geführt. Die Haut berühren wir nicht.«
»Und bei einem Lifting, welche Technik verwenden Sie da?«
»Auch die Endoskopie. Wir ziehen mit winzigen Zangen an Haut und Muskeln.«
»Also auch da keine Spuren?«
»Nicht im Geringsten. Wir verwenden das obere Ohrläppchen, absolut nichts zu erkennen.« Er wedelte mit der Hand. »Vergessen Sie das Problem mit den Narben. Das gehört der Vergangenheit an.«
»Und das Fettabsaugen?«
Didier Laferrière zog die Brauen zusammen: »Sie haben vom Gesicht gesprochen.«
»Man kann doch auch Fett an der Brust absaugen, oder?«
»Das ist richtig. Es ist einer der einfachsten Eingriffe überhaupt.«
»Entstehen dabei Narben?«
Sie hatte sich zu weit vorgewagt, der Chirurg fragte in feindseligem Ton nach: »Ich verstehe Sie nicht, was interessiert Sie eigentlich, die Verbesserungen oder die Narben?«
Anna verlor die Contenance, in Sekundenschnelle kehrte die Panik zurück, die sie auch in der Galerie verspürt hatte. Von der Kehle stieg die Hitze allmählich bis in
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