Das Imperium der Woelfe
runterkommen willst«, fügte er hinzu. »Wenn du high bist vom Speed, beruhigt das Heroin dich wieder, deine Riesenpupillen schrumpfen ganz langsam zu Stecknadelköpfen zusammen.«
»Stecknadelköpfen?«
»Klar. Durch Heroin schläfst du ein. Ein Junk sticht immer in der Nase.« Er brach ab. »Ich verstehe nicht. Hast du nie mit Drogensachen zu tun gehabt, oder was?«
»Vier Jahre habe ich Drogendealer verfolgt. Deshalb muss ich noch lange nicht selbst Drogen nehmen.«
Chiffre verzog sein Gesicht zu einem breiten Grinsen: »Wie willst du gegen dieses Übel kämpfen, wenn du es nicht probiert hast? Wie willst du den Feind verstehen, wenn du nicht alle seine Köder kennst? Man muss doch wissen, was die Kids in dieser Scheiße suchen. Die Stärke der Drogen liegt darin, dass sie schmecken und gut tun. Verdammt, wenn du das nicht weißt, dann brauchst du erst gar nicht gegen die Drogensucht zu kämpfen.«
Paul dachte an seine erste Idee: Jean-Louis Schiffer, der Vater aller Bullen. Halb Heroe, halb Dämon. Das Beste und Schlimmste, vereint in einer Person.
Er schluckte seinen Ärger herunter, denn sein Partner bog bereits um eine letzte Kurve und näherte sich zwei lederbemantelten Kolossen, die zu beiden Seiten einer schwarz gestrichenen Tür Wache schoben.
Der Bulle mit dem Bürstenhaarschnitt zückte seine Medaille. Paul zitterte: Woher hatte er die Marke? Jetzt hatte Chiffre das Ruder in der Hand, und als wolle er ihn aussperren, fing er an Türkisch zu sprechen.
Der Leibwächter zögerte, dann hob er die Hand, um an die Tür zu klopfen. Schiffer hielt ihn auf und drückte eigenhändig die Türklinke herunter. Als er hineinging, zischte er Paul über die Schulter zu: »Während der Befragung will ich von dir keinen Ton hören.«
Paul wollte ihm heftig die Meinung sagen, doch es blieb keine Zeit, denn diese Begegnung war eindeutig Chiffres Sache.
Kapitel 25
»Salem Aleikum, Marius!«
Der Mann, der bequem in seinem Sessel saß, wäre beinahe hintenübergefallen.
»Schiffer? Aleikum Salem, mein Bruder!«
Marek Cesiuz hatte sich wieder gefangen. Er stand auf, ging um seinen Stahlschreibtisch herum und zeigte ein breites Grinsen. Er trug ein rotgoldenes Fußballtrikot, die Farben von Galatasaray. Hager wie er war, flatterte er in dem Satinstoff wie ein Fähnchen auf der Tribüne eines Stadions. Es war schwer, sein Alter genau einzuschätzen. Seine rötlich-grauen Haare wirkten wie schlecht gelöschte Glut, seine Züge, die ihm das düstere Aussehen eines Kindgreises verliehen, waren erstarrt in einem Ausdruck der Freude. Seine kupferfarbene Haut betonte das automatenähnliche Gesicht, sie vermischte sich mit seinem rostfarbenen Haar.
Die beiden Männer umarmten einander überschwänglich. Das fensterlose Büro war mit Papierstapeln überhäuft, die Luft stand vor Zigarettenqualm, Brandspuren übersäten den Teppichboden. Die Ziermöbel schienen alle aus den siebziger Jahren zu stammen: Schränke mit Silberrahmung und runden Fenstern, trommelförmige Hocker und Lampen mit konischen Schirmen, die von der Decke hingen wie Mobiles.
In einer Ecke entdeckte Paul eine Druckausstattung, Kopierer, Schneide- und Bindemaschinen - alles, was ein politischer Kämpfer brauchte.
Marius' breites Lachen übertönte das entfernte Dröhnen der Musik: »Wie lange ist es her?«
»In meinem Alter zähle ich lieber nicht nach.«
»Du hast uns gefehlt, mein Bruder. Du hast uns wirklich gefehlt.«
Der Türke sprach akzentfrei Französisch. Sie umarmten sich erneut, zogen eine perfekte Show ab.
»Und die Kinder?«, fragte Schiffer in spöttischem Ton.
»Sie werden zu schnell groß. Ich lasse sie nicht aus den Augen. Zu viel Angst, was zu verpassen.«
»Und mein kleiner Ali?«
Marius fuhr mit der Faust auf Schiffers Bauch los, hielt jedoch inne, bevor er ihn berührte.
»Er ist der Schnellste.«
Plötzlich schien er Paul zu bemerken. Seine Augen erstarrten zu Eis, seine Lippen zeigten noch immer ein Lächeln.
»Fängst du wieder an zu arbeiten?«, fragte er Schiffer.
»Nur eine kleine Befragung. Darf ich dir Paul Nerteaux vorstellen, Hauptmann der Kriminalpolizei.«
Paul zögerte, dann streckte er die Hand vor, doch niemand machte Anstalten, die Geste zu erwidern. Er starrte auf seine in der Luft hängenden Finger, in diesem zu hellen Zimmer mit dem falschen Lächeln und dem Zigarettengeruch, und warf, um Haltung zu bewahren, einen Blick auf den Stapel Flugblätter, der sich rechts neben ihm auftürmte.
»Immer
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