Das Imperium der Woelfe
nicht einmal ins Auge gefasst hatte.
Apri1 1995
Der Albtraum beginnt. Ich erhalte Besuch von einem Polizisten, der zwei ganz in Schwarz gekleidete Mann Begleitschutz bei sich führt. Ein Koloss mit einem schwarzen Schnurrbart, vornehm in Gabardin-Stretch gekleidet, und er stellt sich als Philippe Charlier vor, Kommissar. Er gibt sich jovial, freundlich, leutselig, aber mein Gespür als ehemaliger Hippie sagt mir, dass er gefährlich ist. Ich sehe in ihm den Prügler, den Unterdrücker von Rebellion, den Schweinehund, der glaubt, im Recht zu sein.
»Ich bin gekommen, um dir etwas zu erzählen«, sagt er. »Eine persönliche Erinnerung im Zusammenhang mit der Attentatswelle, die Frankreich im Dezember 1985 in Panik versetzte. Rue de Rennes und das alles, weißt du noch? Im Ganzen dreizehn Tote und zweihundertfünfzig Verletzte.
Damals habe ich für den Geheimdienst gearbeitet. Wir durften jedes Mittel anwenden. Tausende von Männern, Abhörsysteme, unbegrenzte Untersuchungshaft. Wir haben islamistische Einrichtungen durchsucht, palästinensische Organisationen, libanesische Netzwerke, iranische Gemeinden. Wir hatten ganz Paris unter Kontrolle. Wir haben sogar eine Prämie von einer Million Franc für Hinweise angeboten. All das hat nichts gebracht, wir haben nicht den geringsten Hinweis, keinerlei Informationen gekriegt. Und die Attentate gingen weiter, Tötungen, Verletzungen, Zerstörungen, ohne dass wir das Massaker aufhalten konnten.
Eines Tages, im März des darauf folgenden Jahres, gab es eine winzige Veränderung der Situation - und wir haben mit einem Schwung alle Mitglieder des Netzwerks verhaftet: Fouad Ali Sala und seine Komplizen. Sie hatten ihre Waffen und Sprengkörper in einer Wohnung in der Rue de la Voûte versteckt, im 12. Arrondissement. Ihr Versammlungsort war ein tunesisches Restaurant in der Rue de Chartres, im Goutte-d'Or-Viertel. Ich habe die Operation geleitet, und alle wurden in wenigen Stunden geschnappt. Saubere, ordentliche, makellose Arbeit. Von einem Tag auf den anderen haben die Attentate aufgehört. In die Stadt kehrte wieder Ruhe ein.
Weißt du, wie dieses Wunder möglich wurde? Die >winzige Veränderung< die alles auf den Kopf gestellt hat? Ein Mitglied der Gruppe, Lotfi ben Kallak, hatte ganz einfach beschlossen, die Seite zu wechseln. Er hat Kontakt zu uns aufgenommen und seine Komplizen gegen Belohnung ausgeliefert. Er war sogar bereit, von innen her die Erstürmung mit zu organisieren. Lotfi war verrückt. Niemand setzt sein Leben für ein paar Zehntausend Franc aufs Spiel. Niemand lebt freiwillig wie ein gehetztes Tier und zieht sich in den hintersten Winkel der Welt zurück, wenn er weiß, dass ihn früher oder später seine Strafe ereilen wird. Ich konnte jedenfalls die Bedeutung seines Verrats einschätzen, denn zum ersten Mal waren wir innerhalb der Gruppe. Im Herzen des Systems, kapierst du? Von diesem Moment an wurde alles durchschaubar, einfach, effektiv. Das ist die Moral von meiner Geschichte, Terroristen haben nur eine Stärke: die Geheimhaltung. Sie schlagen überall zu, wann es ihnen passt. Es gibt nur ein Mittel, sie aufzuhalten, nämlich in ihr Netz einzudringen. Bis in ihr Gehirn zu gelangen. Erst dann wird alles möglich. Wie bei Lotfi. Und mit deiner Hilfe wird es uns bei allen anderen gelingen.«
Das Projekt von Charlier liegt auf der Hand: mit I50 Leute, die Terrornetzen nahe stehen, umdrehen und ihnen künstliche Erinnerungen einflößen - zum Beispiel ein Rachemotiv -, um sie zur Kooperation und zum Verrat an ihren Waffenbrüdern zu überreden.
»Das Programm soll Morpho heißen«, erklärte er. »Wir werden ihre Persönlichkeit und ihre Hirngeografie verändern. Danach entlassen wir sie wieder in ihr Ursprungsmilieu. Infizierte Hurenhunde im Herzen der Meute.«
Mit einer Stimme, die einem das Blut gefrieren ließ, sagte er: »Du hast eine einfache Wahl. Entweder du verfügst über unbegrenzte Mittel, so viele Versuchspersonen wie du willst und über die Gelegenheit, eine wissenschaftliche Revolution auszulösen - und das in aller Vertraulichkeit. Oder du kehrst zu einer mittelmäßigen Forscherexistenz zurück, musst hinter dem Geld herlaufen. Labore gehen Pleite, es gibt kaum Publikationen. Wobei wir natürlich das Programm weiterführen - mit anderen, an die wir deine Arbeiten, deine Notizen und alles weitergeben. Du kannst dich darauf verlassen, dass diese Wissenschaftler den Einfluss von I50 ausschlachten und sich selbst als Entdecker
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