Das Imperium der Woelfe
Neuseeland, Malaysia...
Er zog den Funkschlüssel aus der Tasche und wollte gerade die Fahrertür öffnen, als ihn eine Stimme in seinem Rücken traf wie ein Schlag: »Bist du sicher, dass du nichts vergessen hast?«
Er drehte sich um und sah hinter sich ein Geschöpf in Schwarz-Weiß, in einem engen Samtmantel, ein paar Meter entfernt. Anna Heymes.
Zuerst überkam ihn Wut. Er dachte an einen Unglücksraben, einen Fluch, der sich ihm an die Fersen geheftet hatte. Dann besann er sich: Du musst sie opfern, sagte er sich. Sie zu opfern ist deine einzige Rettung.
Er ließ seine Tasche los und sagte in Vertrauen erweckendem Ton: »Anna, wo warst du bloß? Alle suchen dich.« Er ging auf sie zu und breitete die Arme aus. »Eine gute Idee, mich zu suchen, du... «
»Keine Bewegung.«
Er blieb wie erstarrt stehen und wandte sich langsam, ganz langsam der anderen Stimme zu. Eine zweite Gestalt trat rechts von ihm hinter einer Säule hervor, und Ackermann trübten sich die Augen vor Verblüffung. Vage Erinnerungen bildeten sich an der Oberfläche seines Bewusstseins. Diese Frau kannte er doch.
»Mathilde?«
Sie kam näher, ohne zu antworten. Er sagte in demselben verblüfften Ton: »Mathilde Wilcrau?«
Sie stellte sich vor ihm auf, sie trug Handschuhe, und ihre rechte Hand umfasste eine Pistole. Er stotterte, von einer zur anderen blickend: »Kennt ihr euch?«
»Wenn man dem Neurologen nicht mehr traut, wohin geht man dann? Zum Psychiater.«
Genau wie früher zog sie die Silben auseinander und gab ihnen einen ernsten Klang. Wie konnte man eine solche Stimme vergessen? Speichel sammelte sich in seinem Mund. Eine Limone, die ähnlich schmeckte wie der seltsame Geruch von vorhin. Diesmal konnte er den bitteren, intensiven, ätzenden Geschmack der Angst identifizieren. Er selbst war dessen einzige Quelle. Er strömte ihm aus sämtlichen Poren.
»Seid ihr mir gefolgt? Was wollt ihr?«
Anna trat auf ihn zu, ihre indigoblauen, länglichen, asiatisch anmutenden Augen schimmerten im grünlichen Licht der Parkgarage. Sie sagte lächelnd: »Was wohl?«
Kapitel 40
Ich bin der Beste oder zumindest einer der Besten weltweit auf dem Gebiet der Neurowissenschaften, genauer: der Neuro- und Wahrnehmungspsychologie. Das ist keine Eitelkeit; es ist eine Tatsache, die anerkannt wird von der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft. Mit zweiundfünfzig Jahren bin ich das, was man eine feste Größe nennt, eine Autorität.
Und doch erlangte ich auf diesem Gebiet erst meine herausragende Stellung, als ich mich aus der Welt der Wissenschaft entfernte, als ich die ausgetretenen Pfade verließ, um einen vollkommen neuen Weg einzuschlagen. Einen Weg, den vor mir niemand gegangen war. Erst ab diesem Zeitpunkt wurde ich ein wichtiger Forscher, ein Epoche machender Pionier. Dabei ist es in Wirklichkeit schon zu spät für mich ...
März 1994
Nach sechzehn Monaten der bildgebenden Erforschung des Gedächtnisses - im dritten Abschnitt des Forschungsprogramms »Persönliches und kulturelles Gedächtnis« - bringt mich die wiederholte Beobachtung bestimmter Anomalien dazu, Kontakt mit Instituten aufzunehmen, die dasselbe Radionuklid verwenden wie meine Abteilung: I5O. Einstimmige Antwort: Ihnen ist nichts aufgefallen.
Dies bedeutet nicht, dass ich mich täusche. Es bedeutet, dass ich meinen Versuchspersonen höhere Dosen verabreiche und dass die Einzigartigkeit meiner Ergebnisse eben von dieser Dosierung herrührt. Ich spüre die Wahrheit im Voraus: Ich habe eine Schwelle überschritten, und diese Schwelle hat die Fähigkeit der Substanz deutlich gemacht.
Es ist zu früh, um irgendetwas zu veröffentlichen. Ich begnüge mich damit, einen Bericht für meine Geldgeber zu schreiben, die Atomenergiebehörde, und über das vergangene Jahr Bilanz zu ziehen.
Im Anhang, auf der letzten Seite, erwähne ich die neuen Ergebnisse, die sich in wiederholten Tests als richtig erwiesen haben. Ergebnisse, die mit dem indirekten Einfluss von I5O auf das menschliche Gehirn zu tun haben und die es zweifellos verdienen, Gegenstand eines besonderen Programms zu sein.
Die Reaktion erfolgt prompt. Ich werde im Mai zum Sitz der Behörde bestellt. Zehn Spezialisten warten in einem großen Konferenzsaal auf mich. Bürstenhaarschnitt, strenges Aussehen: Ich erkenne sie auf den ersten Blick. Es sind dieselben Militärs, die mich zwei Jahre zuvor empfangen haben, als ich mein Forschungsprogramm zum ersten Mal vorstellte.
Ich beginne mit meiner
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