Das Implantat: Roman (German Edition)
vielleicht ein paar mehr Bildschirme. Es gibt ein Lenkrad, ein Gas- und ein Bremspedal. Cortez, der Fahrer, sitzt mit über den Bauch gelegten Armen auf seinem Platz und lässt seine fleischigen Hände sanft auf den erhobenen Touchpads ruhen, die in das Lenkrad integriert sind. Seine winzigen rosa Fingernägel bewegen sich träge hin und her, während das Lenkrad selbsttätig den Kurs hält.
Während wir fahren, muss ich an das Gerät in meinem Schädel denken. Mein Dad hat gesagt, es sei etwas Besonderes.
Ein kleines Extra.
Ich lehne den Kopf gegen die kalte Scheibe und lasse das Vibrieren der Reifen durch meinen Kopf summen. Ich glaube, den Fremdkörper aus schwarzem Plastik förmlich spüren zu können, der da meine grauen Zellen mit sanften elektrischen Impulsen bearbeitet.
Schwisch. Schwisch. Schwisch.
Wie eine tickende Uhr, eine Zeitbombe, die mir ins Hirn gepflanzt wurde. Wie lang wird es noch dauern, bis sie hochgeht? Wenn der Biokondensator versagt, geht dem Implantat der Saft aus, und ich käme in den Genuss eines schnellen Todes – zack, Licht aus. Gerät die Uhr aber nur aus dem Rhythmus, leitet das Implantat die falschen Signale an mein Hirn weiter, und das Sterben dauert länger. Und auch wenn Temperatur oder Stromleistung zu stark schwanken oder wenn mein Biogel ausgeht oder schlecht wird, habe ich eine gute Chance zu sterben. Und jetzt mal ehrlich: Was macht es für einen Unterschied, ob es schnell oder langsam geht?
Der Amp und ich sind nicht mehr zu trennen. Unser Schicksal ist auf groteske Weise verflochten – wie bei einem Baum, der durch einen Maschendrahtzaun gewachsen ist. Ob ich will oder nicht, der Amp ist ein Teil von mir.
Ich habe mir wohl an die Schläfe gefasst und abwesend mit den Fingern über die Plastikbuchse gestrichen, die dort sitzt, denn Cortez dreht mir plötzlich seinen mächtigen Kopf zu. Während sein drei Zentner schwerer Körper in seinem Sitz bebt wie Schokoladenpudding, bedenkt er mich mit einem langen Blick.
Mist. Wie dumm kann man sein? Ich rutsche tiefer in den gepolsterten Sitz und lege wie beiläufig die Hand an die getönte Scheibe. Draußen ist der Highway in grelles Sonnenlicht getaucht, das den Horizont zum Flimmern bringt wie eine Fata Morgana. Große Wolkenschatten ziehen über die grünen Hügel. Nur in der Ferne ist das Glitzern weiterer Fahrzeuge zu erkennen.
Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen so weiten Blick gehabt zu haben.
»Du kommst aus dem Osten, hm?«, fragt Cortez.
»Genau.«
»Dann viel Glück.«
»Warum?«
»Weil die Hinterwäldler hier draußen es nicht gern haben, wenn jemand schlauer ist als die anderen«, erwidert Cortez und tippt sich an die Schläfe. »Die Leute von Pure Pride erzählen ihnen ständig, dass ihr ihnen irgendwann die Jobs wegnehmen werdet, weißt du? Haben wahrscheinlich auch gar nicht so unrecht.«
Der auf dem Armaturenbrett angebrachte Bildschirm gibt ein kurzes Zwitschern von sich und springt flimmernd an.
Die laute Musik wird automatisch leiser, und ein quäkender Alarmton erklingt. Eine undeutliche, näselnde Stimme sagt: »Achtung, die Polizei hat einen Fahndungsaufruf herausgegeben. Alle Fahrer von Covenant-Transportfahrzeugen sind angewiesen, die Augen nach folgenden Personen offen zu halten. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass es sich um ehemalige Angehörige des Militärs handelt, von denen auch unbewaffnet eine beträchtliche Gefahr ausgehen kann. Sollten Sie eine der Personen sehen, kontaktieren Sie bitte sofort Ihren regionalen Koordinator. Unternehmen Sie nichts, bevor Sie die Angaben überprüft haben.«
Ein körniges Video läuft ab. Erst erscheinen die Worte
Echo-Squad-Verschwörer gesucht.
Dann werden nacheinander mehrere Gesichter eingeblendet. Alle wirken jung, aggressiv – und seltsam ähnlich. Während der militärischen Ausbildung aufgenommene Ausweisfotos. Unter jedem steht ein Name. Valentine. Crosby. Stilman. Daley. Gray.
Ach du Scheiße! Das Gesicht, das gerade eingeblendet wurde, ist meins.
Das Foto stammt von der Website der Allderdice Highschool. Es unterscheidet sich deutlich von den anderen. Das darauf abgebildete Gesicht wirkt viel weicher. Es starrt mich und Cortez eine Sekunde lang an, bevor es verschwindet.
Cortez schnaubt verächtlich und atmet durch seine großen Nasenlöcher aus. »Wusste ich doch, dass ich dich von irgendwoher kenne. Hab dich im Fernsehen gesehen, Partner.«
Das muss ein Irrtum sein.
Was zum Teufel mache ich in diesem Fahndungsaufruf?
Wie
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