Das Implantat: Roman (German Edition)
um Benzin nachzufüllen, muss Cortez den Truck verlassen.
Sündenbock zu spielen ist ein Fulltime-Job.
Auf dem Weg zum Motel höre ich ein leises Läuten, das anzeigt, dass der Tankstutzen sein Ziel gefunden hat. Ich tue so, als würde ich mich an der Stirn kratzen, damit mein Gesicht nicht von dem Laserscan erfasst wird, der von zwei unauffälligen Erhebungen auf der Haube des Trucks ausgeht und die Umgebung mit den Angaben des GPS vergleicht. Selbst hier draußen im Nirgendwo wimmelt die Welt von Kameras.
Nur ein weiteres Glied in der großen Lieferkette, die sich menschliche Zivilisation nennt.
Früher wurden Lastwagen, Flugzeuge und Schiffe von Menschen gesteuert. Von außen betrachtet scheint sich nichts verändert zu haben, doch im Innern herrscht stetiger Wandel, läuft immer schon das nächste Upgrade. Und die Rolle der Technik wird ständig neu verhandelt.
Während der große Sattelschlepper mit aufheulendem Motor die Tankstelle verlässt, halte ich weiter den Kopf gebeugt und frage mich, was passieren würde, wenn wir die Uhr zehn Jahre zurückdrehen würden. Die Computer wären ein bisschen langsamer, nehme ich an. Die Fabriken würden nicht ganz so viel produzieren, und auch die landwirtschaftlichen Betriebe hätten einen etwas geringeren Output. Hört sich nicht nach einer dramatischen Veränderung an, doch mit jedem neuen Fortschritt geraten wir tiefer in die Abhängigkeit.
Millionen von Menschen würden sterben. Denn steht uns die neueste Technologie erst einmal zur Verfügung, können wir nicht mehr ohne sie.
Schwisch, schwisch, schwisch
macht das Implantat in meinem Kopf. Stumm und unergründlich tut es seine Arbeit, ohne dass ich den blassesten Schimmer habe, was es da drin eigentlich genau treibt. Trotzdem: Wie eine Uhr, die langsam abläuft, klingt es nicht mehr für mich. Eher wie ein Herzschlag. Regelmäßig und verlässlich.
Wenigstens hoffe ich das.
II
Ich habe
Die alten Götter gehen sehen
Und die neuen Götter kommen.
Tag für Tag
Und Jahr für Jahr
Werden Götzenbilder gestürzt
Und Götzenbilder errichtet.
Heute
Knie ich vor dem Hammer.
Carl Sandburg ( 1914 )
The Washington Post
Ermittlungen gegen Veteranen des aufgelösten Echo Squad
FORT COLLINS – Heute Morgen hat ein Sprecher der US -Armee bestätigt, dass gegen Mitglieder des ehemaligen Echo Squad, das komplett aus Amp-tragenden Soldaten mit neuartigen neuronalen Implantaten bestand, wegen des Verdachts der Beteiligung an terroristischen Straftaten ermittelt wird. Vier bundesweite Haftbefehle wurden herausgegeben, auch wenn laut Akten die Eliteeinheit ursprünglich insgesamt zwölf Mitglieder zählte.
Das Echo Squad wurde bereits vor zehn Jahren aufgelöst, nachdem das Bekanntwerden seiner Existenz einen landesweiten Skandal ausgelöst hatte. Die Dokumente, welche die Existenz der geheimen Eliteeinheit belegten, wurden seinerzeit von einem Online-Verbund aus Hackern namens Archos ins Internet gestellt und zum gleichen Zeitpunkt von drei renommierten Zeitungen veröffentlicht.
Ein Armee-Sprecher sagte: »Aus Gründen der nationalen Sicherheit können wir keinen Kommentar abgeben. Diese Männer sind wandelnde Waffen. Menschenleben stehen auf dem Spiel.«
Leitende Stellen der Armee sind in die Kritik geraten, weil die Soldaten nach Auflösung der Einheit nicht überwacht wurden. Joseph Vaughn, Senator von Pennsylvania und Vorsitzender des Pure Human Citizen’s Council, spricht von einem unverständlichen Vorgehen. »Wie kann die Armee unehrenhaft entlassenen Veteranen mit militärischen Implantaten einfach so erlauben, wieder in die Gesellschaft zurückzukehren? Diese Mitglieder unserer Streitkräfte haben freiwillig an einem illegalen und unmoralischen militärischen Programm teilgenommen. Deshalb hätte ein elektronisches Überwachungssystem eingerichtet werden müssen, bevor man diese Tiere wieder auf die Öffentlichkeit loslässt«, sagte er.
6
Eden
J im Howard lebt in einer Wohnwagensiedlung namens Eden im Osten Oklahomas. Vom Motel ist es ein Fußmarsch von ungefähr vier Meilen. Da ich sowieso nicht schlafen kann, mache ich mich bei Anbruch der Dämmerung auf den Weg. Bei meiner Ankunft sind meine Beine klitschnass vom Tau des kniehohen Grases, das neben der Straße wächst. Die Sonne ist gerade erst dabei, sich widerwillig vom Horizont zu lösen, und spendet noch wenig Wärme.
Begleitet vom munteren Gesang der Vögel, gehe ich die stetig wachsende Liste von Fragen
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