Das Implantat: Roman (German Edition)
nach Tulsa, damit er seine Mom besuchen kann.«
»Das ist nett von dir, Cortez. Jetzt schalt die Kamera ein.«
»Nee«, sagt Cortez.
»Verdammt, Cort. Bist du wieder bekifft oder was?«
»So ’n Quatsch, Mann. Kannst ja die Kabinenluft checken.«
»Dann mach die Kamera an.«
»Komm ich an deinen Arbeitsplatz und starre dir mitten ins Gesicht?«
»Lass mich endlich meine Arbeit tun, Cortez. Ich habe keine Zeit für diesen Schwachsinn. Wenn du die Kamera nicht anschaltest, übernehme ich die Steuerung und lass dich von der Polizei kontrollieren. Also, was ist jetzt?«
»Das ist doch alles Mist, Mann. Schon mal was von
Privatsphäre
gehört, Jason?« Kaum hat Cortez geantwortet, blinkt das ganze Armaturenbrett rot. Die Türverriegelung springt zu, und der Truck verliert plötzlich an Tempo.
»Der will mich wohl verarschen«, murmelt Cortez und beugt sich übers Lenkrad. Er wirft mir einen Blick zu, zuckt mit den Achseln und schüttelt den Kopf. Die Reifen knirschen bereits auf dem Schotter am Straßenrand. Ich bekomme ein flaues Gefühl im Bauch.
»Ähm, halt, Mann«, spreche ich ins Armaturenbrett. Ich gebe mir Mühe, so zu klingen, als könnte ich Cortez’ Vetter sein. »Cortez hat ’ne rasierte Birne, okay? Sieht echt eklig aus. Sein Schädel glänzt wie ’ne frisch polierte Bowlingkugel, und Schnitte hat er auch überall. Er hat gesagt, er würde eher seinen Job verlieren, als sich so der Kamera zu präsentieren.«
Leises Lachen dringt aus dem Armaturenbrett. »Was?«, fragt die Stimme. »Im Ernst?«
Cortez lächelt und zwinkert mir zu. »Ein Friseur aus Nashville ist dran schuld«, sagt er. »Hat mich so zugerichtet, dass ich alles abrasieren musste. Lach nur, aber meine Fresse wirst du erst mal eine Weile nicht mehr zu Gesicht bekommen.«
Das Gelächter verebbt nach und nach. Dann kommt lange gar nichts. Nur das Rauschen der Funkverbindung ist zu hören.
»Das ist also dein Vetter?«, fragt die Stimme.
»So ist es«, antwortet Cortez.
»Klingt wie ein Weißer.«
»Was hast du gesagt? O Mann, wir beide sind fertig miteinander«, entgegnet Cortez. »Ein für alle Mal fertig miteinander.« Und damit drückt er auf eine Taste und beendet die Verbindung.
Der Truck kriecht langsam den Straßenrand entlang, bis er schließlich ganz zum Stehen kommt. Die Luft aus der Klimaanlage fühlt sich auf einmal an wie ein eisiger Wind, und ich sehe nichts mehr vor mir außer dem hektischen Blinken des Armaturenbretts. Bestimmt eine halbe Minute lang herrscht betretenes Schweigen in der Kabine.
»Wenn die Cops kommen, sage ich, du hättest mich als Geisel genommen«, flüstert Cortez.
»Das ist nur fair«, erwidere ich.
Das Armaturenbrett flackert kurz auf und erlischt dann vollständig.
Gleich darauf springen die Lichter wieder an, und das Armaturenbrett sieht aus wie immer. Rumpelnd startet der Motor. In Cortez’ bärtigem Gesicht erstrahlt ein breites Grinsen. Ich atme tief durch und lasse mich in den Sitz sinken. Gerade noch mal davongekommen.
Cortez lenkt den Truck zurück auf den Highway. Ungefähr zehn Minuten lang rollen wir schweigend gen Westen, bevor er wieder einen Laut von sich gibt.
»Was die Leute über euch Amps sagen«, meint er, »das kenne ich alles schon. Wenn sie dich nicht als Affen bezeichnen, dann bezeichnen sie dich als Übermenschen.«
»Das heißt … Sie verpfeifen mich nicht?«, frage ich.
»Nein, keine Angst«, sagt Cortez, ohne die Augen von der Straße abzuwenden. Plötzlich erscheint wieder ein breites Grinsen auf seinem Gesicht, und er boxt mir spielerisch gegen die Schulter. »Natürlich ist dir klar«, fährt er fort, »dass ich mir jetzt den Schädel kahl scheren muss, oder?«
Nach acht Stunden Fahrt halten wir an einer Tankstelle bei Sallisaw in Oklahoma. Ich hole meine Tasche aus dem Rückraum und beuge mich über die Mittelkonsole, um Cortez zum Abschied die Hand zu schütteln. Als sich die hermetisch versiegelte Tür öffnet, fällt ein dünner Streifen Abendlicht auf das Gesicht des massigen Fahrers.
»Von hier hast du’s nicht mehr weit«, sagt er. »Da drüben ist ein Motel. Dort solltest du keine Schwierigkeiten bekommen: Der Besitzer ist nämlich blind.«
Sein amüsiertes Lachen wird vom lauten Bass und dem vor Obszönitäten strotzenden Sprechgesang übertönt. Ich danke Cortez und steige aus seinem rollenden Bau. Weiche vorsichtig dem automatischen Tankschlauch aus, der mit seinem Kreis aus hellen Lichtpunkten nach dem Tankdeckel sucht. Nicht mal
Weitere Kostenlose Bücher