Das Implantat: Roman (German Edition)
in meinem Kopf durch.
Der schmutzig weiße Wohnwagen steht am Rande der Siedlung. Sie ist ungefähr so groß wie zwei Footballfelder und von einem Zaun umgeben. Die Wagen stehen in unordentlichen Reihen, an denen ein gewundener Schotterweg entlangführt. Überall liegen herabgefallene Zweige und vertrocknete Früchte der großen Pekannussbäume herum, die zwischen den Wagen aufragen. Jims Zuhause ist auf Betonblöcke aufgebockt, und unter dem erhöhten Boden des alten Kastens sprießt das Unkraut. Vor der Tür erhebt sich eine wacklige Holzveranda mit den Überresten eines antiken Whirlpools in der Mitte, der einst von einer Girlande mit nun in Fetzen hängenden Papierlampions beleuchtet wurde.
Die mit Schimmel und angetrockneten Insektenleichen verkrustete Lampe, die über der Tür hängt, flimmert müde im Morgengrauen. Als ich die Stufen zur Veranda erklimme, höre ich ein leises Knarren über mir.
Sofort gehe ich einige Meter zurück, bis ich aufs Dach sehen kann.
Dort steht eine dunkle, dürre und verwachsen wirkende Gestalt, die eine seltsame Haltung eingenommen hat. Ein Mann. Mit vor dem Körper angewinkelten Armen macht er einen übertrieben langsamen Schritt nach vorne und verharrt einen Moment in dieser Stellung, als wäre er zu Stein erstarrt. Erneut knarrt das Dach, als er mit abgespreizten Fingern herumschwingt und eine weitere seiner eigenartigen Tai-Chi-Posen einnimmt. Schließlich richtet er sich auf und wendet sich mir zu.
»Tag auch, Junge«, sagt er mit fester Stimme.
»Jim?«, frage ich.
Ein langes Schweigen. Wenn die Sache nicht klappt und Jim mich wieder fortschickt … Na ja, auf dem Weg hierher habe ich eine Straßenüberführung gesehen. Dann wird die wohl mein neues Dach über dem Kopf.
»Owen«, sagt der alte Mann. »Dein Vater hat mir erzählt, dass du vielleicht kommen würdest.«
»Ist er …?« Meine Stimme bricht, und ich verstumme, bevor ich die Frage beenden kann.
Jim schüttelt mit zusammengekniffenem Mund den Kopf.
»Woher kennen Sie ihn?«, erkundige ich mich.
»Wir waren vor langer Zeit mal Kollegen. Guter Mann.«
»Aha«, ist alles, was ich herausbringe.
»Ich bin gerade auf dem Weg zur Arbeit. Kannst gerne mitkommen, wenn du willst. Darfst nur keine Angst davor haben, ein bisschen angeschrien zu werden.«
»Pure Trash – reiner Abschaum«, sagt der alte Mann ärgerlich. »So sollte ihr Slogan heißen. Nicht Pure Pride. Joe Vaughn kann mir meinen krummen alten Buckel runterrutschen.«
Mit dem Schirm seiner Baseballkappe, unter der Büschel weißer Haare hervorgucken, weist Jim auf die Gruppe junger Männer, die uns von der anderen Straßenseite aus beobachten. Die Arme vor der Brust verschränkt, die Köpfe schief gelegt, stehen sie auf den Heckstoßstangen ihrer Pick-up-Trucks und sehen mit feindseligen Mienen zu, wie wir vorbeigehen. Einer der Demonstranten spuckt auf den Boden.
Der alte Mann nimmt seine Kappe ab und wirft sie mir zu. »Setz die auf und rede mit niemandem. Hier draußen sollte eigentlich keiner nach dir suchen, aber wir gehen lieber auf Nummer sicher.«
Auf dem Weg über die Straße habe ich Schwierigkeiten, mit dem gekrümmten alten Mann mitzuhalten. Mehr als ein Stück Toast habe ich zum Frühstück nicht runtergekriegt, und viel geschlafen habe ich auch nicht. Der Seesack aus olivgrünem Tuch, den er über der Schulter trägt, sieht ziemlich schwer aus, trotzdem humpelt Jim so schnell und ausdauernd durch die trockene Morgenhitze wie ein altes Kamel.
Jim hat ein ausgeprägtes Kinn, hohe Wangenknochen und wettergegerbte Haut. Auf der Fahrt hierher hat er mir erzählt, dass er Vollblutindianer vom Stamm der Cherokee ist, aber weiße Haare bekommen hat, als er ein paar schwierige Zeiten durchmachen musste. Ich habe nicht die Courage, ihn zu fragen, wie diese schwierigen Zeiten aussahen. Allerdings vermute ich, sie hatten mit einem Krieg zu tun.
»Da ist wieder der Typ mit den grauen Haaren!«, ruft einer der Demonstranten, als wir den orangefarbenen Baustellenzaun erreichen. »Verzieh dich, du Amp-tragender Streikbrecher!«
Jim blickt nicht mal hinüber, sondern führt mich einfach auf die Baustelle.
»Wer sind die?«, frage ich.
»Arbeiter, die wir ersetzt haben. Zu hundert Prozent Mensch. Und jung. Aber ich sag dir was: Jeder hat das Recht, seine Brötchen zu verdienen. Nur weil man jung ist, bedeutet das meiner Meinung nach noch überhaupt nichts.«
Praktisch die gesamte Baustelle wird von einem halb fertigen fünfstöckigen
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