Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
Vom Netzwerk:
Zugang mit Mutti anzureden.
    Der Arzt hatte sich mit einer anderen Sicherung gegen die bestürzenden Vertraulichkeiten seines Berufs versehen: Er war aseptisch höflich und so altmodisch vornehm wie ein lübischer Senator. Er sagte gnädige Frau zu Fran und nannte ihren Zustand vorzüglich und überließ das Weitere der Schwester Turo.
    An der war etwas, woran Fran sich festhalten konnte, sich ablenken von der verrückten Spannung, die sie zwar für zulässig und den Umständen angemessen hielt, die sie aber dennoch ableiten wollte auf das Außen hin; so hatte sie es immer mit sich gehalten.
    Wenn Schwesterntracht gedacht war zu neutralisieren, durch Unform Form vergessen zu machen und durch Uniform Funktion zu betonen, dann war der Entwurf an dieser Schwester Turo gescheitert.
    Fran sagte sich, die besondere Lage habe sie womöglich mit einem Sonderblick versehen, einem Überauge, und wahrscheinlich sei ihre Wahrnehmung nur ein Ergebnis der allgemein gesteigerten Empfindlichkeit, aber es half nichts: Schwester Turos Gestalt blieb ein Gleichnis für alles, was weiblich war.
    Nur ihr Gesicht stimmte nicht zu dem übrigen, oder stimmte doch? Es war ein verwirrendes Gesicht; schön in fast allen Einzelheiten, im ganzen aber wie ein Bild unter verschrammtem Glas.
    Vielleicht war die Haube schuld, die ein unmäßiges Ding war, so ein Nonnenhelm, dessen Rand beinahe auf den Augenbrauen saß und alles Haar verbarg. Oder war es die Glätte der Haut, eine glänzende Glätte, die durch Überstraffung kam, als wäre das Gesicht vom Kinn her bis hinauf in die verdeckte Stirn neu verspannt worden, und nun fehlten zur Schönheit die Falten?
    »Sie haben sich eine gute Zeit ausgesucht«, sagte Schwester Turo, »das andere Bett in Ihrem Zimmer ist frei. Oder haben Sie lieber Gesellschaft?«
    »Ich werde ja bald welche haben, und wenn es ans Jammern geht, bin ich gern allein«, sagte Fran und packte ihren Koffer aus.
    Die Schwester sah den Fotoapparat. »Das Ungetüm hätten Sie aber zu Hause lassen können; jetzt sind Ferien.«
    »Dann mache ich eben Ferienbilder«, sagte Fran, »dann knipse ich mal. Sonst fotografiere ich. Das Bett ist meine Strandburg, und Sie sind die nette Burgnachbarin, der man immer verspricht, ein Bild zu schicken. Und der Doktor ist der vornehme Herr, der am Strand entlangkommt und stets nur der Wellen und Möwen achtet. Ich hab es aus Gewohnheit eingepackt, und vielleicht lenkt es mich auch ab.«
    »Davon lenkt nichts ab«, sagte Schwester Turo, »aber versuchen Sie es. Hier kann jede versuchen, auf ihre Art damit fertig zu werden.«
    Doch, es stimmte, es war die Haut, die zu fest gespannt war. Die Lippen der Schwester bewegten sich, wenn sie sprach, aber sonst bewegte sich kaum etwas in diesem Gesicht, und wenn nicht die sehr dunklen Augen gewesen wären und winzige Fältchen wenigstens in den Ecken dort, wäre das schrecklich gewesen.
    »Ich glaube, ich leg mich«, sagte Fran, »es wird schon wieder albern.«
    Schwester Turo ging zur Tür. »Ich sehe nach den anderen, dann komme ich wieder.«
    Fran zog sich aus und haderte mit sich, um den noch fernen, aber doch nahenden Schmerz zu übertönen, den sie mit einem unsinnigen Wort einen sehnsüchtigen Schmerz genannt hatte: Was war das nun wieder für ein Ausdruck: Es wird albern! Das war von der gleichen Qualität wie: Ich geh jetzt Kinder kriegen! Wenn etwas albern ist, dann das. Das ist diese blöde Burschikosität, die wir alle nicht ausstehen können. Damit fallen wir der Welt aufs Gemüt, und die verschanzt sich dagegen. Dann sagt so ein Taxifahrer eben: Das steht Ihnen frei, Madame. Der fährt sein Lebtag Ehekräche durch die Gegend oder widerwillige Theaterbesucher, und jede Nacht fragt ihn ein Besoffener: Bissu mein Freund?, und zur Entbindung hat er schon tausend Frauen gekarrt, da bleibt ihm nur: Das steht Ihnen frei!, sonst verwechselt er sich bald mit einem Fuhrmann des Schicksals und wird verrückt darüber.
    Der Doktor hat sich diesen nördlichen Grauschlipsadel zugelegt, damit wir ihm nicht zu nahe kommen mit unserem Gejammere oder dieser so durchschaubaren Forsche, und die Schwester hat gleich zwei Tricks: Wenn du sagst, jetzt wird dir so, und es gar noch albern nennst, womit durchblicken soll, es ist durchaus nicht albern, sondern sehr ernst und höchst besonders, dann sucht sie die Tür und sagt, nun ginge sie erst einmal zu den anderen, damit du nicht vergißt, es gibt noch andere, und sie zeigt dir ihr Gesicht, das ist wie eines unter

Weitere Kostenlose Bücher