Das Impressum
so, als handle es sich um einen Keglerchef oder den neuen Leiter der Fechterequipe. Er hat es mir so erzählt. Wir hatten einen Bericht über unsere Olympiakader gebracht, und Xaver trug die Zeitung in der Tasche, als er zu uns in die Redaktion kam.
»Ich wollte schon immer mal sehen, wie ihr so was macht«, sagte er, »nun komme ich gerade vorbei.« Das genügte ihm als Erklärung. Dann legte er die Nummer mit den Boxbildern auf den Tisch. »Und nun zeigt mir die anderen Fotos, die, die ihr nicht gebracht habt.«
Die Bilder wurden geholt, und er betrachtete sie angewidert. Er zeigte auf die Aufnahme eines Mittelgewichtlers kurz nach dem Niederschlag. »Ist der tot?«
»Aber nein, der ist nur k. o.«
»Woran sieht man das?«
»Das sieht man doch!«
»Wieviel Leichen hast du denn schon gesehen?«
»Na, diese und jene.«
»Und warst du schon mal k. o.?«
»Nicht vom Boxen.«
»Der sieht wie tot aus«, sagte er und schob das Bild über den Tisch, »und der ist auch ein Stück tot. Ausgeknockt – feiner Ausdruck! Ein Stück totgeschlagen, wäre richtiger. Bewußtlos geschlagen, das ist das Letzte. Weißt du, wieviel Angst die Ärzte haben, es könnte ihnen einer bewußtlos werden? Weißt du, was sie anstellen, um dir deine Leber zu erhalten? Kennst du ihren Kummer mit unseren Nieren? Hast du eine Ahnung, wie die sich abstrampeln wegen ein bißchen mehr Leben für uns alle? Und da stellen wir zwei Jungens in einen Ring und sagen ihnen: Nun haut euch mal, und wer den anderen ein Stück tot kriegt, der hat gewonnen!«
Hans Bammler, der Sportredakteur, dem der Besuch ebenso in die Gräten gefahren war wie mir und der gedacht haben mochte, ihm sei im Kommentar ein kapitaler Fehler unterlaufen, gesamtdeutsche Illusionen oder so, sagte endlich auch etwas: »K. o. wird immer seltener, und die Bestimmungen für R. S. C. werden immer schärfer, und die verordneten Pausen nach einem Niederschlag werden immer länger – es wird doch aufgepaßt!«
»Ja«, sagte Xaver, »und nach dem ersten Gong wird aufgepaßt, wer dem anderen die meisten Dinger an den Kopf ballert, der ist dann besser.«
»Mit Handschuhen«, warf Hans ein.
»Immerhin mit Handschuhen«, sagte Xaver, »soweit sind wir doch schon. – Weißt du, daß die Gerichte die Faust eines Boxers als tödliche Waffe definieren? Ein Gewehr ist auch eine tödliche Waffe, aber wenn du es mit Platzpatronen lädst, hast du das Gewehr noch lange nicht harmlos gemacht. Und der Effekt eines Boxhandschuhs ist da weit geringer.«
Wir saßen ratlos da, während Xaver Frank sich in meinem Büro umsah. Dann zeigte er auf das Radio im Regal und sagte: »Genosse Groth, tu mir einen Gefallen, bring mal den Apparat rüber.«
»Die Schnur reicht nicht.«
»Ohne Schnur«, sagte er, »ich meine, du brauchst den Kasten nicht anzuschließen.«
Ich stellte das Gerät vor ihm auf den Tisch.
»Hast du gesehen«, sagte Xaver zu Hans, »hast du gesehen, wie er damit umgegangen ist? Hast du gesehen, wie dein Kollege das Ding auf der Tischplatte gelandet hat, so, als ob es anders explodieren könnte? Du würdest es ebenso machen, ich auch. Alle gehen so mit ihren Radios um, und mit diesen blöden Fernsehern erst. Und warum? Das weiß jeder: Diese Sachen sind teuer und empfindlich. Das vor allem. Da sind schreckhafte Röhren drin und zarte Lötstellen, ein kompliziertes Gewirr von lauter Rührmichnichtans, nicht rütteln, nicht schütteln und auf keinen Fall schlagen. – Nur einem Menschen vorsätzlich aufs Jochbein klopfen, das geht; ihm einen Zentner Faust auf das Ohr setzen, das läßt sich vertreten; ihm so auf das Auge knallen, daß manchmal die Handwurzel bricht, darüber läßt sich reden! – Mit mir nicht! Ich bin im vorigen Jahr ein bißchen hart gegen die Frontscheibe gestoßen, da haben sie mir vier Wochen Bettruhe verordnet und außerdem, daß niemand mehr vorne sitzen darf, auch wenn es ihm Spaß macht, aber in diesem angeblichen Sport ist die Gehirnerschütterung eingeplant, und fürs Körperverletzen gibt’s Titel. Wenn die dann noch wenigstens Verdienter Meister im Körperverletzen lauteten, aber nein, ist ja Sport!«
Hans und ich saßen stumm vor diesem Ausbruch, dann fragte ich: »Ist das eine neue Linie? Wird Boxen abgeschafft?«
»Unsinn! Das ist nur meine persönliche Meinung; ich wollte sie mal gesagt haben. Man wird ja wohl noch irgendwohin gehen und seine Meinung sagen können, ohne eine Linie hinter sich zu lassen.«
»Aber du bist Abteilungsmitglied. Wie
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