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bestand sie, er hörte stumm zu, und erst am Ende sagte er: »Ach, Mensch, was wir uns manchmal antun!«, und Fran verstand: Dies war eine lange, laute Klage.
Um so fröhlicher machten ihn die Bilder seines Sohnes, und die Aufregung, die sie verursachten, brachte seine Beredsamkeit in Fahrt; abends hockte er auf dem Teppich neben dem Babykorb und erstattete dem schlafenden jüngeren David Bericht: »Oh, Junge, haben wir dich fein hingekriegt! Ich hoffe, du weißt, wen ich meine mit diesem ›wir‹. Zuvörderst, das muß eingeräumt werden, ist da deine Mutter, die amtlich, wenn auch ungern auf den Vornamen Franziska hört, und ist diese eine anerkannt angenehme, anziehend anmutige, anregend ansehnliche Anverwandte für unsereins, für deinereins und meinereins, aber für andrereins ist sie manchmal auch eine anstrengend anspruchsvolle Angelegenheit, wodurch sie den Mittelstand erschreckt, welcher in dem zwischen dir, mein Sohn, und mir, deinem Vater, erörterten Zusammenhang keine soziale Kategorie ist, sondern eine geistige. Wir beide, du David und ich David, wir beide meinen, wenn wir von Mittelstand reden, den Mittelmaßstand, den behäbigen Bishierherundnichtweiter-Verein, die normfromme Diekirchemußimdorfbleiben-Gemeinde, das erschreckend große Allesmußseinegrenzenhaben-Lager. Die also, mein schöner Sohn, die hat deine Mutter mit dir erschreckt, mit Bildern von dir, von denen sie meinen, die gehören sich nicht, weil, du errätst es nicht, weil sie sich nicht gehören. Ihre Rede geht, ihre Gründe lauten, ihre Logik spricht: Ein Anstand ist ein Anstand ist ein Anstand … und nur völlig Schwindelfreie sind gut für eine Diskussion mit ihnen – so tief sind die Abgründe, in die man blickt, blickt man ihnen in die Argumente.
Aber, lieber Sohn, davon wollen wir jetzt nicht reden, wir ereifern uns sonst, ich kenne uns doch; wir wollen vom Aufruhr der Gemüter sprechen, den dein Auftritt ausgelöst unterm Dache der Neuen Berliner Rundschau, und sage du selbst: Hättest du solches für möglich gehalten?
Ich nicht, Sohn, ich sage es offen, ich nicht, und ich kenne mich runde dreißig Jahre länger aus mit der Welt als du und runde zehn Jahre länger mit der Neuen Berliner Rundschau;mich hat dieses beinahe auseinandergezwirnt, Junge, jungejunge!«
Merkwürdig, jedenfalls für David, merkwürdig war, daß ausgerechnet Fran, die Urheberin der Bilder und also des Trubels, die Ruhigste blieb im Für und Wider der Meinungen und Verständnis aufbrachte für fast alle Ansichten, wenn auch nicht völlig für die der Reporterin Helga Gengk, denn diese Ansicht richtete sich weniger auf die Fotos als auf die Fotografin.
»Mondo cane«, hatte Helga Gengk gesagt, und David hatte es Franziska treulich berichtet, »das ist doch mondo cane pur, die Welt von der Hundeseite! – Deine persönlichen Sachen gehen mich zwar nichts an, Genosse Groth, aber fragen werde ich dürfen: Fürchtest du dich nicht ein wenig, wenn du siehst, wozu deine Frau imstande ist?«
Und dann hatte Helga ausgemalt, wozu sie Franziska imstande hielt: »Wenn die merkt, ihr letztes Stündlein kommt, jetzt geht es ans Sterben, was, glaubst du, wird sie tun? Ich will dir sagen, was sie tun wird: Sie wird aus dem Bett kriechen, ihre Lampen aufstellen, ihr Stativ, die Kamera einrichten, den Auslöser zwischen die schon klammen Finger nehmen und warten. Sie wird warten, bis sie merkt: Den nächsten Schlag tut das Herz nun nicht mehr, der nächste Atemzug wird nur noch ein matter Versuch sein, den nächsten Augenblick verdunkelt das Ende. Da wird sie, was noch geblieben ist an Kraft, zusammennehmen, und es wird gerade noch reichen zu einem Daumendruck in Richtung Verschluß, und dann ist Schluß, aber auf dem Film, dessen bin ich sicher, wird ein authentisches Sterben sein, und mir grauste vor solcher Aussicht, wäre ich an deiner Stelle, Genosse Groth!«
Aber David hatte sich auf die Vorstellung nicht näher eingelassen. »Da bin ich ruhig, Helga, da ich es nicht erleben werde. Statistisch gesehen sterben die Männer vor ihren Frauen, und ich bin sehr statistisch, was also soll mir grausen?«
»Vielleicht der Gedanke, sie stellt das alles, was ich eben beschrieben habe, mit deinem Sterben an?«
»Nein, Helga, aber jetzt weiß ich, was mich wirklich gruseln macht: Du!«
»Ich?«
»Ja, du! Ich hab mir nie Gedanken gemacht, ob du Franziska magst oder nicht. Warum sollte ich? Wahrscheinlich gehört das zu den häufigsten Fehlern, die wir begehen: Daß
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