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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Voigt.
    Nicht was Sie denken – der war alt und krumm und hatte fünf Kinder, der säuft und taugt nichts. Der ist auch nicht edel geworden oder so was, weil er nun ein Retter war. Der hat hinterher einen mächtigen Krach mit der Versicherung gehabt, weil sie ihm die verdorbenen Kleider nicht so ersetzen wollte, wie er sich das vorstellte. Ich hörte, er hat eine Rechnung gemacht, nach der muß er einen Brokatmantel angehabt haben und darunter eine Weste aus Hermelin. Was er dann gekriegt hat, hat er gleich versoffen, und dann war es seine große Nummer: Wie er die Turo durch die Wiesen geschleppt hat! Ich kann mir’s schon vorstellen.
    So genau wußte ich das damals natürlich noch nicht, als ich mich entscheiden konnte zwischen Leben und Nicht-Leben, aber daß es etwas war für ihn, daß ich noch am Leben war, wußte ich, und ich dachte wohl: Nun hat dieser krumme Kerl mal was Besonderes; beinahe wäre er aus der Welt so weggedämmert, wie er durch sie durchgedämmert ist, aber nun hat er was, und wenn ich mich jetzt fallenlasse, werden die Leute sagen, so wie die Leute hier sind: Na, Voigt, du versoffener Dämlack, wozu hast du dir da deine kostbaren Gewänder versaut, wo sie nun doch hin ist?
    Vielleicht waren es auch nur die Leute, warum ich nicht losgelassen habe, vielleicht die viel mehr als der krumme Voigt; es kann sein, daß ich denen diesen Gefallen nicht auch noch tun wollte. Ich sage ja, es paßt alles nicht richtig, aber weil ich eine Erklärung haben muß, ist der Deicharbeiter die Erklärung.
    Und Sie haben nun auch Ihre Erklärung. Die letzten Bilder, die von mir gemacht worden sind, die sind in einer wissenschaftlichen Zeitschrift zu sehen. Ich hab sie mir einmal angeguckt und dann nicht mehr. Was der Doktor da oben mit mir angestellt hat, war ein medizinisches Wunder, und er hat gesagt, die werden nur geglaubt, wenn sie fotografiert und genau beschrieben sind, und für andere Ärzte wäre es wichtig, daß er es in die Zeitung gibt, damit sie nicht zu früh aufstecken, wenn ihnen mal so ein Unglücksmensch wie ich auf den Tisch kommt.«
    Sie dachte einen Augenblick nach und sagte dann: »Ich kann nur wünschen, sie brauchen die Bilder nie.«
    Schwester Turo ging und ermunterte Fran, sie solle sich jetzt getrost etwas ausruhen, sie sei ja fast so weit marschiert wie von hier bis in die Uckermark, und lange könne es nun auch nicht mehr dauern.
    Es dauerte auch nicht mehr lange, oder wenn, dann verging die Zeit so rasch, weil Fran sich zwischen Schmerz und neuem Schmerz fast wütend an Turos Geschichte klammerte, die eine war von anderem Schmerz und mit anderem Ausgang; eineGeschichte, die gerade verlief wie ein Sturz und die Geschichte eines Sturzes war, aber nicht nur eines Sturzes.
    Wer da herausgekommen ist und nicht an den Teufel glaubt und kein Teufel geworden ist, nicht vor Haß vergeht oder vor Jammer und eine Arbeit tut, die Ruhe braucht und Liebe, ja, Liebe, absurdes Wort in dieser Geschichte, aber Liebe, der ist das, was wir immer suchen und immer suchen sollten, der ist ein Mensch, und das ist schon ein ganz schöner Zufall, oder wenn es kein Zufall ist, dann ist es ganz schön so eingerichtet, daß dieser Mensch gerade hier seine Arbeit tut, das kann man hier brauchen, denn hier tut es manchmal sehr weh, und Angst hat man hier auch nicht selten, und zu oft kommt man sich hier zu außerordentlich vor, da ist es sehr gut, daß es hier die außerordentliche Schwester Turo gibt.
    Später dann, als das Gerede um die unerhörten Bilder Franziskas ging und das Geschrei auch, und als man Franziska fragte, woher sie den erstaunlichen Mut genommen habe – und erstaunlich klang dann wie unheimlich und empörend –, den Mut, vom Kindbett aus den eben geborenen Sohn, das gerade abgenabelte Kleinstkerlchen, das Neugeborene, das neuer geboren kaum zu denken war, in aller Ruhe – von der Ruhe gab die Schärfe der Bilder Auskunft – zu fotografieren, dann sagte Fran manchmal, es habe kein Mut dazu gehört, nur eine gewisse Sicherheit, und wenn schon Mut, dann gleich Übermut, der einen gelegentlich so packe, vorzüglich wenn man gerade begriffen habe, wie gut es einem eigentlich gehe, ja, zum Übermut wolle sie sich bekennen, verrückt sei sie gewesen vor Freude, und Gründe habe sie genug gehabt, und einer davon sei eine traurige Geschichte gewesen.
    Aber sie behielt die Geschichte für sich, teilte sie nur mit David, und auch eine Erzählung, zeigte sich wieder, konnte eine Prüfung sein; David

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