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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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memoriert Sachen, die hier nichts zur Sache tun, weiß, scheint’s, nichts von Verdiensten mehr, weiß aber sonst eine ganze Menge und weiß noch – sollte man es denn für möglich halten? –: Sie, die Leitung der Betriebsparteiorganisation in der Neuen Berliner Rundschau, hat dem Genossen Groth bereits zweimal mit erzieherischen Maßnahmen zurück auf den Boden des Statuts helfen müssen – und warum, aus welchem Anlaß?
    David kann sich kaum erinnern; es ist zu lange her, die Rüge liegt schon ein Jahr zurück und der Verweis gar drei Jahre; wie soll er das noch im Kopfe haben, ein vielbeschäftigter Mann wie er, er hat keine Ahnung mehr; er hat alle Hände voll zu tun gehabt, schließlich, nicht wahr, schließlich ist der Klassenkampf nicht gegangen ohne den Klassenkämpfer Groth, nicht wahr, Genossen! Nun, die Genossen helfen, dazu sind sie da; sie helfen dem Gedächtnis Davids auf, und sie formulieren es zärtlich: Wir mußten dir, lieber Genosse, schon zweimal eins überbraten, und verlangten es die Regeln des innerparteilichen Umgangstons nicht anders, so hätten wir in beiden Fällen zur Begründung geschrieben: … bekommt eine Strafe wegen totaler Idiotie. Tatsächlich aber haben wir geschrieben, wir hätten dir die Rüge verpaßt und auch schon den Verweis, weil du deiner Neigung zu politisch gefährlichem Einzelgängertum so weit nachgegeben hättest, daß nur eine übernatürlich große Dosis Glück verhindert habe, was eigentlich die Folge deines Handelns hätte sein müssen, nämlich Unheil gesellschaftlicher Natur. So hattest du doppelt Glück: zum einen, weil nicht eintrat, was du doch schon in Gang gesetzt hattest, und zum anderen, weil wir eben dies berücksichtigten, als wir dich rügen mußten.
    Und als ob ihr diese mehr abstrakte Erinnerung nicht genügte, beginnt die Leitung, nunmehr konkret zu werden.
    Es war, spricht sie und ist dabei, was sie sein soll, Kollektivund trägt die Erinnerungen vor im Wechselgesang; ein Leitungsmitglied nimmt dem anderen das Wort aus dem Mund, jedes weiß sein Teil, und zusammengenommen ergeben diese Teile zwei etwas absonderliche Geschichten, die beide wie alle Geschichten beginnen: Es war, es war einmal einer, und David Groth hört sie beide nicht gern.
    David Groth hört seinen Genossen zu, diesen fleißigen Teppichknüpfern, diesen geschickten Glasmosaikern, die einander Fäden reichen oder bunte Scherben, auf daß Muster und Bilder entstehen, von denen man ablesen kann, was der Groth für einer ist; David hört zu und fragt sich, warum er sich abdrängen läßt von seiner edlen Sache, und was denn überhaupt sein Langer Marsch durch Port Arthur oder auch sein Gedankenaustausch mit Konrad Adenauer für eine Rolle spielen, jetzt, wo es gilt herauszufinden, welche Rolle Fedor Gabelbach gespielt hat, spielt und künftig spielen soll, und jetzt auch, da zu klären wäre, warum Johanna Müntzer, Leitungsmitglied und Hüterin des Entwurfs zu einem neuen Menschenbild, zu David nie ein Wort gesagt hat über das Feuer am siebzehnten Mai und den Anteil des Heizers, Hetzers, Hetzenheizers Gabelbach daran.
    Aber natürlich fällt David seinen Genossen nicht in die Geschichten; das ist nicht üblich, wo kritische Rede geht; wer kritisiert wird, bekommt noch Gelegenheit zur Gegenwehr, aber solange die Leitung spricht, spricht man besser nicht, denn in dieser Hinsicht ist die Leitung auch nur ein Mensch.
    Und der Mensch sieht sich nicht gern unterbrochen, wenn er Geschichten erzählt; da hütet sich David vor Einspruch oder Widerwort, auch wenn es in seinem Inneren reißt und zerrt, weil alles ganz anders gewesen ist.
    Nun gut, die Leitung will ihn partout zu einem Wechselbalg aus Anarchist und verträumtem Trottel – ihr Wille geschehe hier auf Erden noch, aber nicht mehr im Himmel der Revolutionäre; dort wird man zu schätzen wissen, was David Groth für Menschheit und Sache getan, auch am dreizehntenOktober siebenundfünfzig und auch im Großen Hörsaal der Technischen Universität zu Berlin-Charlottenburg; mag doch die Leitung bis dahin ihre Versionen pflegen; soll sie sich nur erheitern mit ihrem: Es war, es war einmal einer, es war hier mal ein gewisser Groth, der hielt sich für schlauer als alle anderen und zeigte sehr ausgeprägt diese mittelalterliche Neigung, allein, für sich, auf sich gestellt, als sein eigener Herr die Angelegenheiten der Menschheit in die Hand zu nehmen; waren Revolutionen die Lokomotive der Weltgeschichte, so war David Groth der

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