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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Sack voll volkseigenem Moos auf dem Buckel! Der gescheite Genosse Groth kam einfach nicht auf die Idee, die Leute, die so früh durch die Gartenwege eilten, könnten in die Richtung wollen, die er selbst noch suchte, und es ahnte ihm auch nicht, das Fehlen von Frohsinn in den Gesichtern könnte mit den Morgenmeldungen der Radios zusammenhängen, mit Frühaufstehen am Sonntag und mit Sorge um das Ersparte; und daß es ihmnicht in den Sinn kam, die scheinbare Finsternis in den Augen der Port-Arthur-Siedler sei am Ende Ergebnis psychischer Täuschung, sei auf den Argwohn zurückzuführen, zu welchem Menschen neigen können, wenn sie zweihundertachtzigtausend Mark durch unbekanntes Gelände schleppen, daß David Groth darauf nicht kam, wundert niemanden, der David Groth schon ein wenig kennt.
    Langsam ging diese Parteileitung dem Parteimitglied Groth auf die Nerven. Wenn sie sich begnügt hätte, eine kurze kritisch-sachliche Darstellung der Ereignisse vom dreizehnten Oktober zu liefern, um ihn an Verfehlungen zu erinnern, das hätte er hingenommen, aber jetzt befaßte die sich hier mit psychischen Täuschungen und verwandelte sich allmählich in ein Konsilium von Psychologen, Psychiatern gar, das war nicht mehr parteigemäß, und prompt dachte David etwas sehr Unparteigemäßes, er dachte nämlich: Wartet nur, euch wähle ich nicht wieder!
    Als wären sie doch zumindest gute Psychologen, schalteten die Leitungsmitglieder an diesem Punkt plötzlich von epischer Breite auf anekdotische Kürze und trieben den Chorbericht vom Langen Marsch durch Port Arthur rasch an sein politisch bedeutsames Ende. Also, hieß es kurz, der verirrte Geldsackträger traute sich nicht, nach dem Weg zu fragen.
    Item: Dann fragte er ein Kind; das schickte ihn nach Port Arthur IV; dort war aber die Bierbude »Land in Sonne«, nicht jedoch das Kulturhaus.
    Item: Dann rief ihm ein Männlein über die Ligusterhecke: »Hierher!« Das Männlein erwartete den Kollegen eines Neffen, der Holzabfälle aus dem Sägewerk zu besorgen versprochen hatte. – Kleine Verwechselung, große Mühe, sie aufzuklären: Das Männlein war mißtrauisch, glaubte, es sollte betrogen werden ums Holz, wollte unbedingt den Inhalt des Sackes sehen. – Hastiger Aufbruch Davids, fast Flucht, fast Gewalt, nur fort, und natürlich in die falsche Richtung.
    Item: Es begann zu regnen: Hält der Geldsack dicht? Nehmen Port Arthurs Bürger feuchte Penunse? – UmsichtigeMaßnahme des umsichtigen David: Er will sich einen Schirm leihen! Ergebnis: Ein wildfremder, mit einem Sack beladener Mensch erscheint sonntags früh kurz nach sieben in der Wohnlaube des Bürgers Könagel, dort werden eben die Kinder gebadet, dreie! Geschrei, eine Lügengeschichte, fünfzig gerade noch gültige Mark zum Pfand, Schirm her, raus, ehe Bürger Könagel sein Radio anmacht!
    Item: Klägliches Rufen einer alten Dame; der Ruf gilt David Groth, der den Veilchenstieg daherkommt, mit der einen Hand einen Sack mit zweihundertachtzigtausend Mäusen in der Balance und mit der anderen einen Schirm darüber hält. Die alte Dame steht auf einem Küchenstuhl und versucht, ein dickes Päckchen unterm Laubendach hervorzuzerren. Ein Brett muß angehoben werden, David soll es tun. Er tut es, steigt auf den Sack voll neuer Kröten, auf dem Stuhl ist nicht Platz für zwei. – Es ist nämlich Geldumtausch heute, sagt die alte Dame, und der Platz unterm Dach ist ihr sicherstes Versteck, und gleich geht sie das Ersparte einwechseln, im Kulturhaus von Port Arthur soll es sein.
    Item: David Groth, genannt auch: der Findige, David stellt sich im Veilchenstieg auf die Lauer; ein Viertelstündchen, und die alte Dame verläßt ihr Heim, unterm Arm ein Päckchen, trippelt sie den Veilchenstieg entlang Richtung Kulturhaus, und im Abstand von dreißig Schritt tappt unter der Last von zweihundertachtzigtausend Mark und einem Regenschirm der Genosse Finanzhelfer Groth hinterher, der Mann mit dem Konterschlag, der so seinen Weg doch noch fand ins Kulturhaus von Port Arthur.
    Und als er ankam, waren schon alle da: die anderen Helfer, die Polizei, die Kinder, die Rentner, die Schichtarbeiter, die Witwen und alten Damen, die jungen Mütter und die Familienväter – und auch die Gerüchte waren schon da und der Unmut und der Zorn und die Wut und der Haß, und auch der Regen war schon lange da, nur nicht die Schlüssel zum Kulturhaus, die hatte David, nur nicht das Geld, das hatte David, nur nicht David, der hatte sich ein wenig

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