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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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vierzehn Jahre früher; da war Krieg kaum eine fahle Erinnerung, für dich war es Wirklichkeit von ebennoch. – Ja, du! Dir hatten sie schon zweimal den Vater weggenommen, einmal sehr und einmal für immer, und doch hatte er zwischen dem einen und dem anderen Mal noch Zeit, dir für die Welt ein wenig an die Hand zu gehen; aber was hat dem anderen dessen Vater gesagt, und was die Schule und was die hohe Schule und was die Bilder an den Wänden und was die Zeitung im Familienabonnement? – Dir, David, dir hatten sie, als du zwanzig warst, zweifachen Judentod und vielfachen anderen Tod schon vorgeführt, dir hatten sie die Linie gewiesen von der ersten Leiche im Küchenbach bis zur letzten im maigrünen Tiergarten; der andere aber, zwanzigjährig wie du und keineswegs wie du, dem war der Tod etwas von Theodor Körner und Ernst Jünger,war ein Gleichnis aus Langemarck und hatte die ferne Schönheit des heiligen Sebastian, und vor allem: Für so einen war ein Gedanke nicht denkbar, der feurig in die Zukunft lief, von den Fackeln vor der Universität am Agrippina-Ufer des Rheines bis zu den Schloten von Maidanek, dem brüllte sein Rektor etwas vor vom Phönix des deutschen Geistes, vom Flammenprotest gegen den Ungeist hetzerischer Volksverführer und salonbolschewistischer Intellektueller, dem schrien sie ein Kommando ins Ohr, und dann warf er drei Bücher ins Feuer – sieh doch den Unterschied zwischen dir, David, als du zwanzig warst, und dem korporierten Tropf, als der zwanzig war!
    Ich sehe den Unterschied, rief der Ankläger David, aber ich entschuldige nichts …
    Halt, rief ein Verteidiger, der David hieß, ehe du weitersprichst: Wir sind noch nicht fertig mit den Unterschieden zwischen deinen zwanzig und seinen zwanzig; mein Vorredner David hat von den Kommandos ins Ohr des zwanzigjährigen Gabelbach gesprochen, wie aber stand es um die Kommandos an David, als der zwanzig war? Als der zwanzig war im Jahre siebenundvierzig, da redeten sie schon zwei Jahre lang auf ihn ein, sprachen mit Zungen, die Neues Deutschland hießen und Tägliche Rundschau, sprachen Worte, die von Engels waren und von Brecht und von Lenin, lasen aus Büchern vor von Heine und Seghers, deuteten ihm Reden von Pieck, Ulbricht und Grotewohl, zitierten die Stimmen der Völker und immer wieder die Große Stimme des Großen Manifests, fuhren ihn an mit dem Befehl: Lerne das Einfachste! und donnerten den Auftrag: Du mußt die Führung übernehmen!, und in den Straßen, durch die dieser Zwanzigjährige ging, stand es geschrieben, stand für ihn geschrieben: Vorwärts und nicht vergessen, wacht auf, Verdammte dieser Erde, voran, du Arbeitsvolk, drum links, zwei drei, bau auf, bau auf, erkämpft das Menschenrecht!
    Und dieser zwanzigjährige David, sprach der Verteidiger David weiter, hatte Dolmetscher, wenn er nicht verstand, diekehrten die fremden Wörter in solche, die er begriff; Proletarier übersetzten sie mit dem Leben von Wilhelm Groth und Solidarität mit dem Sterben Wilhelm Groths, Profit mit Meister Treder und Maximalprofit mit Bergmann-Borsig, Demagogie mit Lehrer Kasten und Antisemitismus mit Tod im Küchenbach, Militarismus übertrugen sie in die Laufbahn von Hermann Groth aus Ratzeburg; und in die Befehlsmacht vom General Klütz in Berlin, und von Demokratie gaben sie eine erste Interpretation, indem sie David hundertfach fragten: Und du, was sagst nun du dazu?
    Übrigens, so fügte dieser Verteidiger David fast sanft noch hinzu, wo nun schon die Verdienste der Dolmetscher zur Sprache kamen, da sollten auch ihre Namen genannt werden, einige wenigstens, wenigstens die von Johanna Müntzer, bekannt auch unter den Bezeichnungen Penthesilea und Petersilie; Xaver Frank, damals Sekretär in Berlin und inzwischen Mitglied der Obersten Abteilung; dann auch der Genosse Kutschen-Meyer, dem du zumindest die Einsicht in den Unterschied zwischen Intellektuellen und fortschrittlichen Intelligenzlern verdankst, aber anderes auch; und erwähnt werden wenigstens soll der Botenmeister Ratt, dessen Stachel dich oft beschleunigte; und – und erst hier wurde die Stimme des Verteidigers, der David hieß, wirklich sanft –, und genannt werden muß der Name Fedor Gabelbach …
    Doch ehe der Anwalt Gabelbachs die Verdienste Gabelbachs um David Groth in Worte fassen konnte, rief ein wilder David-Chor: Aufhören, nein, und wennschon, deshalb ja gerade, das gilt nicht mehr, wir wollen davon nichts mehr wissen, wir wollen von Gabelbach nichts mehr wissen, wir

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