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Das Impressum

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Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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kam.
    Und für die Regierung war er der, nach dem sie rief, wenn sie im Planbereich Industrialisierung der Landwirtschaft rote Zahlen sah.
    Hat ihn also sein Amt umgebracht? Die Vermutung ist nicht unerlaubt, denn wir haben verzehrende Ämter, aber unerlaubt ist es, bei Vermutungen zu halten, weil wir in diesen Tagen Gewißheit brauchen. Zum Beispiel Gewißheit, wenn einer uns fragt, ob Gerhard Rikow in oder an seinem Amt gestorben sei, wenn also, anders, ein Gerücht sich Luft unter die Schwingen schlägt, wenn es flüstert: Unter anderen Umständen hätte er noch leben können.
    Kleiner Vorsatz jetzt: herauszufinden, woran Rikow gestorben ist; kleine Tat nun: einen fragen, der die Antwort weiß. Gewißheit her, die Vergangenes nicht ändert, aber Künftiges ändern könnte.
    »Ja, hier ist Andermann. Was ist los, erst hört man jahrelang nichts von dir, und dann hört man den ganzen Tag nur von dir; hat dir Johanna schon eingeheizt?«
    »Johanna? Warum sollte sie? Und den ganzen Tag ist wohl übertrieben; dies ist mein zweiter Anruf bei dir.«
    »Deiner, ja. Aber was ist, findest du deine positive Intrige nicht mehr so gut?«
    »Kann sein, sie war nie sehr gut. Aber ich rufe wegen Rikow an. Du hast heute früh nichts davon gesagt, und jetzt habe ich es gelesen.«
    »Ich dachte, du wüßtest es. Ich denke, ihr wart Freunde?«
    »Ich wußte es nicht.«
    »Schöne Freunde.«
    »Du hast recht, aber wem soll das noch nützen?«
    »Anderen Freunden vielleicht.«
    »Ja.«
    Fritz Andermann schwieg, und David wußte lange nicht weiter, dann fragte er: »Was war mit ihm?«
    »Paß auf, Freundchen«, sagte Fritz Andermann in bösestem Ton, »paß auf, mein Freund, jetzt hör dir was an: Du bist ein beschäftigter Mann, weiß ich, du kannst nicht jeden Tag deine Kumpel zählen, in Ordnung, aber Gerhard Rikow ist ein halbes Jahr lang krank gewesen, und wenn du das nicht weißt, ist das eine Sauerei, was führt ihr denn für ein Leben?«
    »Ein halbes Jahr schon?«
    »Ja, ein halbes Jahr schon, Genosse Redakteur, Genosse Berichterstatter! Ich hab neulich bei euch angerufen, weil mir eure Sache über Indonesien sehr gefallen hat, aber jetzt sag ich dir, ich scheiße auf deine Berichte aus Indonesien, wenn du Trauerkarten brauchst, damit du nach deinen Freunden fragst.«
    »Du brauchst nicht zu schreien; ich begreife auch so.«
    »Da bin ich nicht mehr sicher, und ich schreie, weil mir das nicht paßt. Dich hab ich immer zu denen gerechnet, auf die Verlaß sein würde, weil sie nicht taub und blind waren und nicht gleichgültig. Ich war froh, weil solche wie du und Rikow zusammenhielten, mit uns Alten und ihr untereinander. Aber jetzt – Indonesien!«
    »Ich glaube, das ist ungerecht, Fritz.«
    »Ja, das glaubst du, da beruhige dich nur schön. Beruhige dich mit deinem Elf-Stunden-Tag und deiner Sieben-Tage-Woche. Du bist fleißig, alle Welt weiß es; du hast dich nicht geschont, will einer deine Orden sehen? Du hast dich immer gekümmert, um Moltke-Denkmäler und Dispatcher-Ehen und um Indonesien; wo sollte da noch Zeit für Freundschafther? Freundschaft, verflucht, als ob es etwas Besseres gegen all die Feindschaft gäbe!«
    Das wurde ein langes Telefongespräch für David Groth und Fritze Andermann, und David war schon freundlicher behandelt worden, und Andermann hatte schon geduldigere Zuhörer gehabt, und wäre ein Dritter in den Disput geraten, so hätte er meinen müssen, hier stritten zwei auf Tod und Leben.
    Sie stritten aber über Tod und Leben, stritten nicht einmal so sehr miteinander, beklagten vielmehr zornig den Verlust eines Freundes und zürnten der widerlichen Unvernunft, die auch in diesem Tode steckte, gerade in diesem, denn hier hatte es einen ausgeblasen, der dem Leben vertraute wie kaum einer sonst.
    »Ich hab in meinen Jahren viel Sterben gesehen«, sagte Fritz Andermann, »so viel, daß zu all der Gemeinheit, mit der wir leben mußten, auch noch die Gewöhnung kam, an das Krepieren ringsum. Ich bin vielen begegnet, von denen ich wußte: Der macht es noch drei Monate, oder: Der bringt es auf kein Jahr. Natürlich haben wir versucht, etwas dagegen zu tun, und manchmal hat es geholfen, aber wenn es nicht geholfen hat, haben wir den Gram nicht herumgeschleppt. Der hätte uns bald erdrückt; wir hatten zu viele Gründe. Ich kenne, meine ich, den angesagten Tod; ich dachte, den halte ich aus. Aber als sie mir vor einem halben Jahr den Gerhard Rikow wegnahmen und mir sagten, ich kriege ihn nicht wieder, niemand

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