Das Impressum
wenn sie bei solcher Gelegenheit verkündete, man müsse nun einmal jetzt hier etwas besprechen, dann machte man sich besser auf einen starken Vorgang gefaßt.
An diesem Abend tat sich David nicht schwer mit Vermutungen; man hieß nicht Johanna Müntzer und hatte alte Freunde in allen Obersten Abteilungen, ohne zu wissen, daß es ein ehrenvolles Vorhaben gab mit dem derzeitigen Chefredakteur der Neuen Berliner Rundschau. Eine andere Frage war, was diese Johanna Müntzer von solchem Vorhaben hielt, aber das würde er nun erfahren.
Das Übliche rollte wie üblich ab: Tee aus dem Samowar, Fragen nach dem Wohlergehen des Sohnes, Ansichten zum Stand der Weltdinge, Bemerkungen zur letzten Ausgabe der Rundschau, fast milde Betrachtungen über vergangene Tage, besorgte Äußerungen über eine Tendenz in der bildenden Kunst, Anmerkungen zu einer Rede und einem Lyrikband – freundliches Müntzer-Wetter für eine halbe Stunde. Dann rasche Verfinsterung. »Xaver Frank war bei mir. Was ist das für eine Geschichte mit diesem Krell?«
Ach, ihre Technik der jähen Blitze!
»Was soll mit dem sein?« sagte David, und er fragte sich wirklich, was der Genosse Frank mit dem bildungsfeindlichen Futtermittelzähler zu tun haben könnte.
Aber Johanna überging seine Frage und ließ auch ihre eigene beiseite und stellte eine andere, wobei sie auf Franziska wies: »Hast du ihr die andere Krell-Sache erzählt?«
»Die andere Krell-Sache«, sagte David, »die hieß damals noch gar nicht Krell-Sache, die hieß damals Carola-Sache; da war die nämlich noch nicht mit dem Raps-und-Rübsen-Menschen verheiratet, und außerdem ist das zwanzig Jahre her.«
»Der Anfang ist zwanzig Jahre her«, berichtigte Johanna, »und deine Frau weiß davon?«
»Die weiß so lange davon, wie sie von mir weiß, und sie weiß es von mir. Wenn es nicht zu Ende gewesen wäre, hätte sie mich kaum genommen. Die hat da Ansichten – und ich mag kein Verhör!«
»Natürlich, du magst keins, und daß du es nicht magst, das weiß ich seit zweiundzwanzig Jahren. Aber ich hoffe, du weißt, ich habe mich nie sehr darum gekümmert, ob du es magst. Ich mag auch keins.«
»Und warum dann dies?«
»Weil Klarheit sein muß in einer Angelegenheit. Wenn der Mensch ein Mensch bleiben will, muß er auf Klarheit sehen.«
»Gut«, sagte David, »ich bin ein Mensch, ich will ein Mensch bleiben, ich muß auf Klarheit sehen, ich möchte jetzt Klarheit: Was soll das alles?«
Johanna Müntzer hielt sich wieder einmal mit beiden Händen an ihrer Tasche fest, und sie sagte: »Xaver Frank kommt manchmal bei mir vorbei. Manchmal nur so, der alten Zeiten wegen, manchmal nicht nur so, sondern der neuen Zeiten wegen. Neulich war er da, und heute war er da, beide Male der neuen Zeiten wegen und speziell deiner neuen Zeiten wegen.
Neulich hat er gesagt: ›Erzähl mir was von dem Genossen Groth!‹, und heute hat er gesagt: ›Ich erzähl dir was von deinem Groth!‹ Er hat eine Beratung gehabt, mit einigen Ministern,Fritz Andermann war auch dabei, und als Schluß war, hat Andermann zu Frank gesagt: ›Typen gibt es noch!‹ und hat ihm von einem VEAB-Dispatcher erzählt und von deinem Anruf und daß du eine positive Intrige planst. Dann ist Xaver Frank zu mir gekommen und hat gesagt: ›Ich erzähl dir was von deinem Groth!‹, und dann bin ich zu Fritz Andermann gefahren.«
»Das zersplittert mich«, rief David, »das kann doch nicht sein, daß Xaver Frank gelaufen kommt, weil er eine Geschichte gehört hat, in der das Wort Intrige vorkommt, eine Pausengeschichte mitten zwischen Entscheidungen über beinahe Weltgeschichte; das kann doch nicht sein!«
»Unter Umständen schon«, sagte Johanna, »ein paar Umstände, glaube ich, hast du jetzt vergessen.«
David sah hilflos zu Franziska, aber die lächelte nur und sagte: »Mich darfst du nicht so ansehen. Sieh mal, ich kenne die Umstände auch nicht, und die Pausengeschichte zwischen Xaver Frank und Fritz Andermann, die kenne ich auch nicht; ich kenne von alledem nur deine Carola Krell, die so breite Schultern hat, und dich kenne ich ein wenig und deine Geschicklichkeit mit Intrigen, positiven Intrigen.«
David sagte: »Das war doch erst heute, Mensch. Heute früh hat mir Carola von einer Klemme erzählt, dann habe ich etwas eingefädelt, das ihr helfen könnte, und jetzt sitze ich hier und verstehe nichts mehr, und du machst auch noch so feine Augen!«
Er stand auf, aber Johanna kommandierte ihn zurück in den Sessel. »Sage nicht
Weitere Kostenlose Bücher