Das Impressum
gewesen, und niemand hätte sich darüber gewundert, Carola Krell nicht und David Groth nicht, und nirgend im Hause wäre ein Gerede davon gewesen; bei dem einen wußte man es so schon, weil er des öfteren Wesens von seiner Einstellung machte, und bei dem anderen kehrte man sich nicht daran, weil seine Person zu gleichgültig war, um seine Religion interessant zu machen.
Aber eben Gabelbach war weder uninteressant noch irgend jemandem im Hause gleichgültig, er war vielmehr auf zugleich schmerzliche und wohltuende Weise interessant, weil er ein Giftkopf und eine Spitzenkraft war, und an seinem Verhalten im Dienst war kein Hauch von katholischem Glauben oder irgendeinem anderen Glauben außer dem an die Gesetze der Optik.
Und das war Rätsel und Widerspruch und so nur allzusehr geeignet, einen Menschen wie David Groth zu brennen, zumal er schon lange wußte, daß Lösungen nicht zu haben waren, denn die Lösungen lagen bei Gabelbach, lagen in ihm verschlossen, und jeden Versuch, ob mit freimütiger Frage oder durch verstohlene Anspielung, an sie heranzukommen, hatte der sich bis an das Ende seiner Tage in der Neuen Berliner Rundschau mit beißender Schärfe verbeten.
David öffnete seinem obersten Bildermann die Tür, begrüßte ihn mit Händedruck und bat ihn, Platz zu nehmen.
Wie immer übersah Gabelbach Davids Handbewegung zur Sesselgruppe hin, wie immer setzte er sich auf den Stuhl vor Davids Schreibtisch. Er ließ keine Unklarheiten aufkommen: Er war dienstlich hier und als ein dem Chef untergeordneter Mitarbeiter.
Er ließ auch andere Unklarheiten nicht aufkommen: Er war unzufrieden, und ringsum war Chaos wie vor zweiundzwanzig Jahren schon, und wie war das: Sollte diesem babylonischen Bauwerk im Stadtzentrum nunmehr die Lizenz erteilt werden, künftighin alles, was kleiner war als dieser Stachel in den Himmel Berlins, von den Seiten der Neuen Berliner Rundschau zu verdrängen, und falls es so die Absicht sei, wolle der Kollege Chefredakteur dann bitte zur Kenntnis nehmen: Zu den Verdrängten werde sich in solchem Falle auch der Leiter der Bildabteilung, Fedor Gabelbach, schlagen, denn dies sei die absolute Verstrickung einer von Anbeginn knäueligen Wirrnis in das unauflösbare Chaos, und Fedor Gabelbach nehme lieber seinen Stecken, als daß er da mittäte.
David überhörte die vertraute Drohung mit dem Stecken, einer Redefigur, deren Bedeutung ihm ebenso bewußt, wie ihm ihre Herkunft unklar war, und fragte mit der angespannten Sachlichkeit, die allein Schwert und Schild gegen diesen wütigen Trojaner sein konnte: »Worum, bitte, geht es genau?«
»Es geht genau um den Plan, jegliches andere Erzeugnis bauender Menschenhand von den Bildseiten dieses Blattes durch ein pompös vertikales Ding, genannt Fernsehturm, verdrängen zu lassen«, sagte Gabelbach und klopfte hart auf sein hart eingebundenes Notizbuch.
»Wer hat einen solchen Plan geäußert?« fragte David.
»Wer einen solchen Plan geäußert hat, vermag ich vorerst nicht zu sagen, jedoch sehe ich die Schatten dieses Entwurfs bereits auf den Wänden unseres Hauses, und den Schatten des aufschießenden Betonpfahls sehe ich schon über dem Aufriß unserer nächsten Nummer.«
»Wo konkret fällt dieser Schatten nieder; auf welche Seite?«
»Auf die Seite 11, auf die Möbelseite, auf die Seite mit den besten Möbelfotos, die jemals in all dieser Wirrnis zum Druck befördert worden sind, worden wären, beinahe befördert worden wären, wären sie nicht der Anbetung eines überlangen Zementstifts zum Opfer gefallen.«
»Wieso zum Opfer gefallen? Die Möbel sind nicht raus, die sind jetzt nur auf die 20 gestellt, Kollege Gabelbach.«
»Kollege Chefredakteur, nur auf die 20 gestellt heißt: getötet, erschlagen, vernichtet, nicht erschienen. Die Geduld der Leser mit diesem Blatt reicht allenfalls bis zur Seite 11, von da an beginnt das Grab, und in dieses Grab stoßen Sie die besten Möbelfotos, die in diesem Durcheinander jemals entstanden sind: Sie stoßen sie hinab einer aberwitzigen Monumentalröhre wegen.«
»Nun in aller Sachlichkeit, Kollege Gabelbach: Die Möbel kommen, und der Fernsehturm kommt auch; die Möbel kommen hinterher, und der Turm kommt vorneweg, das war beschlossen, das ist beschlossen, das bleibt beschlossen. DerTurm ist vorneweg in Europa, den Moskauer ausgenommen, und der Turm kommt vorneweg in der NBR. Haben Sie Vorschläge?«
»Natürlich habe ich Vorschläge, aber darf ich Sie vorher noch mit einer Warnung
Weitere Kostenlose Bücher