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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Verhalten trug keine Marke davon. Er war ein Bildjournalist, ein glänzender, er war es ganz und gar und nichts als das, soweit es den Dienst anging. Selbst Themen wie Ehescheidung, Empfängnisverhütung, Selbstmord und die großen Fragen, die ein junger Mann aus Gütersloh auf die Bühnen der Welt gebracht hatte, ging er nur aus dem optischen Winkel an: Wie setzt man sie ins Bild? Wie auch immer er von den verschiedenen Enzykliken der verschiedenen Päpste denken mochte – falls über sie im Kollegium der NBR diskutiert wurde, begleitete Gabelbach die Überlegungen der anderen mit Hinweisen auf vorhandenes Archivmaterial oder überschlug die Kosten für Fotos, die nunmehr zu beschaffen seien. Und wenn den anderen bei derDebatte des »Stellvertreters« weltanschaulich der Mund überging, so äußerte er sich lediglich, wenn auch unübertrefflich kompetent, zu Problemen der Rasterung von Großaufnahmen, und die Gewandung des Papstes war ihm eine pure Farbdruckfrage, und des Mäkelns über die Qualitäten von Papier und Rohfilm wollte kein Ende sein, aber das wäre ebenso gewesen, hätte es sich um Stierkampf oder volkseigene Plauener Spitzen gehandelt.
    Selbst als der Streit um Franziskas unerhörte Bilder das Haus in mehrere Teile zu zerreißen gedroht hatte, ein Streit um Moral und Ästhetik, um die Grenzen des Professionalismus, um heilige Kühe und das Geheimnis des Lebens, ein Streit, der einen katholischen Menschen schon angehen sollte, selbst da hatte Gabelbach die unerhörten Bilder lediglich in solche eingeteilt, die technisch einwandfrei, und solche, die es nicht waren, letzteres wegen Blaustichigkeit, Unschärfe oder Indifferenz: »Zeigt diese Aufnahme eine Mondlandschaft oder einen Mutterkuchen? Da beides möglich ist, ist das Bild unmöglich. Vernichten Sie es, sonst archivieren die es doch noch unter Astronautik. Überhaupt dieses Archiv, völlig unmöglich, seit zweiundzwanzig Jahren nichts als ein Chaos!«
    Nichts als ein Chaos war ihm alles, was sich seit seinem Eintritt in die Neue Berliner Rundschau und natürlich gegen seinen immer wieder erklärten Willen getan und ergeben hatte, und wer mit ihm ständig zu tun hatte, bedurfte der Schwalbenketten Carolas nicht, um den Hingang der Jahre zu bemerken, denn exakt an jedem elften September, dem Datum seines Dienstantritts, schaltete Gabelbach, wenn er die Dauer des Chaos in der NBR bejammerte, einen Jahresradzahn weiter und gab die Spanne des chaotischen Zustandes mit einer von gestern auf heute um eins vergrößerten Zahl an, nannte das Wirrsal nicht mehr, wie am zehnten September noch, siebenjährig, bezifferte es nunmehr, am elften Tag desselben Monats, auf achtjährig und führte diesen Kalender der anhaltenden Unordnung verläßlich und verursachte schon dadurch Pein genug für David Groth, weil der eben einer vondenen war, die ständig mit diesem Buchhalter des Gewirrs zu tun hatten, und überdies war er im Verlaufe der langen Zeit auf den ersten Platz im Impressum vorgerückt und mußte, wenn wirklich Chaos im Hause war, wo nicht Schuld daran, so doch Verantwortung dafür tragen.
    Aber größere Pein als diese kam von Gabelbach, weil unerträglich verwirrendes Teil seines Daseins war: das völlige Fehlen eines Widerscheins seiner Glaubensrichtung, von der bekannt war, daß er ihr außerhalb des Dienstes treu und zäh und nach allen Regeln folgte.
    Es war bekannt, denn so groß die Stadt auch war, so war sie es doch nicht genug, um zufällige Begegnungen zwischen frühaufstehenden NBR-Mitarbeitern und dem NBR-Bildchef und Messegänger Gabelbach auszuschließen; der Angler, Laborant und Schwätzer Griese zum Beispiel war schon öfter an seinem unmittelbaren Vorgesetzten vorbeigeradelt, wenn der in grauem Morgen auf dem frommen Weg zu St. Franziskus-Xaverius sich befunden und Laborant Griese einen exquisit günstigen Fangplatz zu erobern sich auf den Marsch gemacht hatte. »Wenn schon Latein« – dieser exquisite Witz war stets Teil von Grieses montäglichem Bericht über die Begegnung am Sonntagmorgen –, »wenn schon Latein, dann lieber Angler- als Kirchenlatein!« und war denn auch hinsichtlich seiner exquisiten Barsche so beredt, wie Gabelbach in Glaubenssachen verschwiegen war.
    Hätte man die Erkundigung nach dem religiösen Bekenntnis wieder in die Personalfragebogen eingeführt, aus denen sie schon lange verschwunden war, so wäre der Eintrag »röm.-kath.« sicher auch in den Kaderblättern der NBR-Mitarbeiter mehrmals zu finden

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