Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
Vom Netzwerk:
dürfen, bereits abgezogen – besteht aus zirka zwölfhundert Werktätigen, aber von denen sind nur zweihundert in solchen Werken tätig, die zur Werktat nur einlassen, wer sein gestempeltes Konterfei vorzuweisen vermag; auf die Äcker um Weißleben und in die Backstuben und in den Hutladen von Weißleben kommt man auch ohne. Undnur dreihundert sind in Parteien oder gesellschaftlichen Gesellschaften, die Freiwillige Feuerwehr eingeschlossen, welche auf mitgeführte Ablichtungen ihrer Genossen, Kollegen, Freunde und Bundesfreundinnen Wert legen. Die Bildverbraucherspitzenposition hält der Lehrer Jaksch; der ist in deren Organisationen sechs, aber das ist mit einem Dutzend Abzügen von einer Aufnahme auch erledigt und läßt ihm noch eine stattliche Reserve für eventuelle Neugründungen und den dann freilich unerläßlichen Beitritt, denn der Lehrer Jaksch ist ein sehr bewußter Mensch.
    Aber weder von ihm noch von den anderen in unterschiedlichen Graden bewußten Menschen der Ortschaft Weißleben kann die Familie des Fotografen Grewe leben, sie lebt eher von den unbewußten Menschen, oder besser: Sie lebt weniger vom Neuen und neuen Bewußtsein als mehr vom Alten und alten Bewußtsein. Sie lebt vor allem von den Kleinst- und Kleinkindern, die weder das eine noch das andere haben, und von den Bräuchen, die mehr geselliger als gesellschaftlicher Natur sind. Sie lebt von Kindstaufen und Einschulungen und auch noch ganz gut von Konfirmationen und vom auch in Weißleben ungebrochenen Glauben der Eltern, daß ihre Kinder die schönsten sind.
    Als Franziska Lehrling wird, gibt es in Weißleben fast zweitausend Mitbürger, die jünger sind als sie. Die Geburtenzahl hat sich beinahe verdoppelt seit dem Jahre sechsundvierzig, da der Vater von den Amerikanern heimkam und den Laden wieder öffnete. Auch die anderen Männer, die wiederkommen konnten, sind wiedergekommen, und Wiederkommen hat da einen doppelten Reim auf Niederkommen. Und andere sind gekommen, die vorher nicht da waren; sind aus Eydtkuhnen nach Weißleben gekommen und aus Stargard auch und auch aus Liegnitz in Schlesien und sind zuerst eng aneinandergekrochen, weil sie in der Fremde waren, und als sie nicht mehr in der Fremde waren, haben sie es sich gemütlich gemacht und haben mit ihren Kindern ein Recht auf Heimat angemeldet, ein Recht auf die Heimat Weißleben in der Börde.
    Andere zwar sind gegangen, nach Westen, der von Weißleben aus vierzig Kilometer nach Westen liegt und dort zuerst Helmstedt heißt; sie sind zu Fuß dorthin gekommen oder mit dem Rad oder mit der Bahn über Magdeburg oder später mit dem Flugzeug nach einem Umweg über Berlin-West und durch ein Lager am Sachsendamm in Schöneberg oder das in Marienfelde, und bevor sie über Marienborn hinausgeflogen sind aus ihrem alten und ihnen unerträglich neuen Land, haben sie bei gutem Wetter Weißleben links unten liegen sehen können, haben es links liegenlassen, da noch, haben sich sehr hoch gefühlt, da noch, und haben Weißleben hinter sich gebracht, da noch, aber wer weiß, wie denen war?
    Später hat Vater Grewe behauptet, er hätte von vielen, die sich mit Reiseplänen trugen, angeben können, daß sie es taten, und er hat seine Behauptung mit dem Geschäftsbuch belegt; er hat Bestellungen von Familienaufnahmen ganz ohne festlichen Anlaß und von Bildern, die häusliche Anwesen zeigten oder gute Stuben oder einen Hund, vorweisen können und zugleich erklärt, daß von den nämlichen Leuten, die ihm diese Aufträge gegeben hatten, niemals vorher ähnliches von ihm verlangt worden war, und nachher auch nicht mehr, denn nachher waren sie fort, hatten das Haus zurückgelassen und die gute Stube und den Hund und die vielen Cousinen auch, und da war der Grund zu Versammlung und Gruppierung vorm Bilderapparat zutage gekommen und hatte Abschied geheißen.
    So hat sich die Fotografenfamilie Grewe von Gehen und Kommen ernährt und von dem Verlangen der Menschen, ihre Schatten festzuhalten und Zeugnis zu haben und zurückzulassen von sich und ihrem Erdenwandel, und das war es eigentlich, was Franziska in ihrer Lehrzeit erlernte: einiges über die Eigenheiten der Menschen und einiges über den Umgang mit ihnen.
    Sie erfuhr etwas von den Schattierungen der Eitelkeit, von den Absprachen, die das Leben in einer Ordnung hielten, vom Verhältnis zwischen Leuten und Sachen, von den Möglichkeiten,stolz zu sein, von der Macht des richtigen Wortes, von der Gunst, der sich die treffende Lüge erfreut, von den

Weitere Kostenlose Bücher