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Das Impressum

Das Impressum

Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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schiefgegangen.«
    Er hatte gesagt: »Dir konnte doch nichts passieren.«
    Und sie hatte gesagt: »Mir ist etwas passiert.«
    Er hatte gesagt: »Hätte ich vielleicht reden sollen?«
    Und sie hatte gesagt: »Du hättest so nicht schweigen sollen.«
    »Das verstehst du wohl noch nicht«, hatte er gesagt, und »Ich will es auch niemals lernen«, hatte sie geantwortet, und dann hatte sie »Freundschaft« gerufen, und er hatte automatisch »Freundschaft« erwidert, und da hatte sie gelacht und war gegangen.
    Sie heulte erst in Treptow, und zum Glück war ihre Wirtin nicht da, sonst hätte sie ihre Miete gezahlt und wäre abgefahren in die Börde, aber die Wirtin war nicht da, und so blieb Franziska, und bald fand sie auch Arbeit.
    Den David Groth fand sie erst zwei Jahre später. Da war ihr dies seltsame Berlin mit seinen verschiedenen Weltteilen schon lange vertraut, und daß sie eine gelernte Fotografin sei, hatte sie schriftlich, aber sie hörte nicht auf, sich über die Wandlungskünste der Stadt zu wundern, und auf den Glauben, sie beherrsche ihr Handwerk nun, ließ sie sich nicht ein.
    Deshalb, auch deshalb war ihr der David Groth so hochwillkommen. Daß er ihr gleich gefallen hatte mit seinen losen Reden in der Leihbücherei von Geschonnek, war etwas merkwürdig, denn jener praktische Helmut damals hatte zwar nicht übermäßig viel bleibenden Eindruck hinterlassen, aber eine Abneigung immerhin gegen Dialogkünstler und Maulartisten und die gar zu findigen Kerlchen. Um so seltsamer, daß sie diesen David, der nie recht zu wissen schien, ob ihm nun gewitzte Jugend oder gegerbte Erfahrenheit besser zu Gesichte stünde, und überdies noch an dem Ehrgeiz litt, auf jeden Fall für eine besonders harte bolschewistische Nuß gelten zu wollen – um so seltsamer, daß sie den gleich mit in ihr Zimmer genommen und Mutterns Leberwurst mit ihm geteilt hatte und dann auch noch mit ihm auf der heiklen Wirtin Sofa herumgelegen war.
    Aber sie hatte recht behalten mit ihm, und das hieß unter anderem, sie hatte ihm bald manches abgewöhnt. Zum Beispiel dies Aus-dem-Mundwinkel-Sprechen und seine dämliche Handkanten-Argumentation, mit der er einen zwar umhauen, aber nicht überzeugen konnte.
    Da machte sie sich ihr äffisches Talent zunutze und zeigte ihm sein leicht verzerrtes Spiegelbild; das mochte er nicht leiden.
    Sie wußte, wann ein Streit aufkam, und sie kannte ihre beste Waffe dagegen: Sie brauchte ihn nur aus seiner geliebten Haltung eines kühlen Kunden herauszulocken und ihn ins Eifern zu stacheln, dann geriet ihm bald alles zum übergroß Komischen, und da brauchte er nicht lange, um auf sich selbst in der Bramarbasrolle zu stoßen und sich dann idiotisch zu finden; da wechselte er das Thema. Aber Meinungsverschiedenheiten hatten sie genug. Das störte Fran nicht, denn anders wäre es unheimlich gewesen. Ihr Weg war nicht seiner, und seine Ansichten konnten nicht ihre sein.
    Ob er mehr Feinde hatte als sie, war nicht auszuzählen, daß er aber mehr sah als sie, war sicher. Er glaubte sich immer im Kampf, und er freute sich merkwürdig, wenn er auf Gegnerschaft stieß: Eine Grundformel hatte sich dann wieder bestätigt.
    Sie wußte auch, daß es manchmal tückisch zuging in der Welt, aber sie hielt das für einen Fehler und nicht für ein Gesetz. Sie konnte kämpfen, aber sie mochte es nicht. Er mochte es.
    Für ihn war es logisch, wenn etwas, das er tun wollte, auf Widerstand traf: Entweder waren die Ansichten seiner Opponenten falsch oder die seinen, und falsch, das hieß: politisch falsch. Dummheit, Faulheit, Feigheit, Neid, Mißgunst und Feindseligkeit waren ihm keine Gründe, sondern nur Erscheinungsformen politischer Gegnerschaft oder wenigstens Rückständigkeit, und sein Lieblingsbegriff lautete: objektive Ursachen.
    Wenn ihr etwas in der Arbeit verquer ging, weil ein anderer,dessen Ansichten wichtig waren, die ihren nicht teilte und sie doch sah, sie hatte recht, dann machte sie das traurig und auch zornig, aber sie kam nicht auf den Gedanken, den Herrn Adenauer oder den »Herrn« Klassenkampf verantwortlich zu machen.
    David kam immer auf diesen Gedanken, und den Ausdruck »Herr« Klassenkampf, den sie erfunden hatte, verbat er sich, denn das sei ein, Augenblick mal, verdammt, wie hieß das noch, ein Anthropomorphismus, die, wie sagt man das, Übertragung menschlicher Eigenschaften auf Nichtmenschliches, und im Augenblick des Streits war er bereit, an diesem Unsinn festzuhalten und seinen allgegenwärtigen

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