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Stroh. Freundschaft!«
»Freundschaft«, sagte Helmut automatisch, und dann schimpfte er: »Jag mir doch nicht solchen Schrecken ein; ich dachte wirklich, du bist übergeschnappt, aber du guckst ja ganz normal!«
»Ich bin auch ganz normal«, sagte sie, »ich habe meine Gründe, ganz normal zu sein, denn die Lage ist ganz normal, meine Lage ist völlig normal: Ich liege auf drei künftigen Dachsparren, zwanzig Meter weiter beginnt Westberlin, dort wohnt mein Bruder, über mir steht der Reichstag und ist abgebrannt, in der Börde zu Haus hält sich mein Vater das Herz,ich glaube, ich blute ein bißchen, ich habe Stalins Scheinwerfer als Blitzlicht benutzt, ich liebe dich wohl, heißt du nicht Helmut? – Und jetzt will ich nach Hause.«
Er brachte sie an die Haustür ihrer Wirtin in Treptow, und am nächsten Abend war sein Zimmer wieder frei, das Treffen der Jugend beendet, blaue Fahnen aus Berlin, und ein Hoch zwar auf alle Bauplätze dieser Welt, aber ein Bett war doch etwas anderes.
Sie ließen sich nun Zeit, und erst am Ende der Woche hatte Franziska ihre Bilder entwickelt und vergrößert und die mit zuviel Helmut darauf beiseite getan, und die Aufnahmen vom nächtlichen Laurenzia-Tanz nahm sie nur spaßeshalber mit zur Besprechung beim Chef des Magazins für junge Menschen, denn sie waren nicht besonders geraten, die Scheinwerfer waren doch mehr für den Himmel gedacht gewesen als für die Erde, und so nahm sich die Fröhlichkeit aus Schmilka und Schkölen mehr wie ein Gespenstertanz aus, aber sie legte dem Chef auch diese Bilder vor und sagte, die Geschichte dazu erzähle Helmut besser.
»Ach«, sagte Helmut, »da ist nicht viel zu erzählen. Da haben noch welche getanzt nach all dem Trubel, und um die Zeit sah es lustig aus. Die Bilder laß nur weg.«
»Nein, warte doch«, sagte der Chef, »vielleicht kann man mit denen noch was machen. Es müßte natürlich ein passender Text dazu: Je später die Nacht, um so fröhlicher die Gäste; Jugend ist Trunkenheit ohne Dingsda; der Enthusiasmus dauert an; Laurenzia im Lustgarten – ich find’s ganz lustig. Schade, daß das Bild vom Genossen Stalin nicht mit drauf ist, vielleicht kann man das reinmontieren. Wieso ist denn das nicht drauf, von dem Standpunkt aus hätte es doch eigentlich mit raufkommen müssen, oder hatten die die Scheinwerfer schon ausgemacht?«
»Runter«, sagte Franziska und wunderte sich über Helmuts leises Kopfschütteln, »die haben die Scheinwerfer runtergemacht, runtergedreht wohl, damit ich fotografieren konnte.«
»Ja, die sowjetischen Freunde«, sagte der Chef, »die sind Klasse. Das müßte selbstverständlich mit hinein in die Geschichte: Beherzt bat eine junge Jugendfreundin die sowjetischen Freunde, na, zweimal Freunde geht nicht, das muß man noch durchformulieren, also: beherzt bat, wie heißt du gleich, Franziska Grewe die sowjetischen Freunde, ihr ein bißchen von ihrem großen Licht abzugeben, damit … das wäre doch ein Titel: Das große Licht der Freundschaft! … und schon senkte sich gleißende Helle über das weite Rund! Das beherzte Wort der Jugendfreundin aus, wo bist du her? …«
»Sie ist aus Weißleben, das ist in der Börde«, warf Helmut ein, »aber der Vollständigkeit halber: Die kleine Verhandlung mit dem Scheinwerferbatterieführer, die habe …«
»Vergiß deine Rede nicht«, sagte der Chef, »ich überlege eben schärfstens: Gleißende Helle, bleiernes Dunkel, sachte, sachte, jetzt mal schärfstens überlegen: Was wolltest du sagen, Helmut?«
»Nichts«, sagte Helmut, »hat sich schon erledigt, wollte was Ähnliches sagen.«
»Primstens«, sagte der Chef, »brauche ich die Sache ja nicht mehr durchzuformulieren. Kannst du mal sehen, Jugendfreundin, was man hier für eine Verantwortung hat. Schärfste Analyse, ohne die kommst du hier nicht aus. Erscheinungen: schön, Wesen: besser. War ja gut gemeint, dein Bild, feine Initiative, primstens, aber da bist du ganz schön über den Bodensee geschwommen. Nee, Jugendfreundin, die Bilder pack mal wieder ein, und da du dich noch nicht so auskennst, pack noch einen guten Rat von mir dazu: Erscheinung schön, Wesen besser, schärfste Analyse und immer sachte, sachte.«
Er schüttelte ihr die Hand und ermahnte Helmut, sich ein bißchen um die Jugendfreundin zu kümmern, ideologisch und so, und Franziska und dieser Helmut gingen auf der Friedrichstraße auseinander.
Er hatte gesagt: »Das hätte aber schiefgehen können.«
Und sie hatte gesagt: »Es ist
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