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Das Impressum

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Titel: Das Impressum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Pfund weiße Bohnen. Ich hab zwei Kinder, die jetzt eigentlich wachsen müßten. Tun sie aber nicht. Wenn das so bleibt,laufen hier in zwanzig Jahren lauter Zwerge rum. Gott, in zwanzig Jahren, wer weiß? Sie, das ist wichtig: Die Menschen müssen besser werden! Manchmal denk ich: Wo kommt das her? So viel Gemeinheit. Ich fahre sonst die lange Strecke, ich hab hier heute nur Aushilfe, sonst fahr ich die lange. Von Johannisthal bis Lichterfelde. Einmal hin und zurück bist du achtzig Kilometer unterwegs gewesen, und alles kaputt, die Stadt und die Menschen. Und nun weiß sich keiner anders zu helfen als mit Schimpfen. Sie, wenn mal einer freundlich zu Ihnen ist auf der ganzen langen Strecke, dann denken Sie, es ist Weihnachten. Das kommt nun auch noch bald. Wenn ich zu sagen hätte, würde ich sagen, diesmal kein Weihnachten. So ohne Freundlichkeit, was soll das? Als noch Krieg war, hab ich oft gedacht, wenn der nur vorbei wäre, aber er ist wohl zu spät vorbei gewesen; nun machen wir weiter mit Kratzen und Beißen. Die Kinder, wissen Sie, wenn die nicht wachsen, das ist schon schlimm, aber wenn sie so die Erwachsenen hören und denken, der Mensch muß so sein, was werden das für Menschen, die Kinder? Das können Sie wohl alles gar nicht brauchen für Ihre Zeitung, dann schreiben Sie mal unter mein Bild: Ich wünsche mir, daß mein Mann bald kommt und daß die Leute in der Bahn wenigstens die Rucksäcke abnehmen.«
    »Ja«, sagte David, »das schreiben wir, und dann brauche ich Ihre Adresse für das Bild. Und vielen Dank!«
    Viel mehr erfuhren sie kaum und Besseres nicht. Es war eben der November nach dem Krieg, und die Leute hatten jetzt die Zeit für ihren Schmerz, die ihnen der Krieg nicht gelassen hatte. Oder die sie sich nicht genommen hatten, dachte David.
    Die meisten waren auf eine mürrische Weise gesprächig und selten nachdenklich. Sie beklagten die Gegenwart, aber wo die angefangen hatte, schienen sie nicht zu wissen. Mit der Wunschfreiheit taten sie sich schwer wie törichte Märchenhelden. Zwar, das Verlangen, den Mann wiederzubekommen oder den Sohn, das war verständlich, aber was danach kam, waren so etwas wie Wünsche von der Hand in denMund, und Politisches geriet ihnen allen gerade bis zum Wunsch: Nie wieder Krieg.
    »Ich höre hier nicht viel von dem Wort Zukunft, an dem wir uns, mit der verehrten Frau Herausgeberin zu reden, aus dem Sumpf ziehen könnten«, sagte Gabelbach, »die Zukunft von denen reicht bis morgen, aber wenn ich denke, Sie fragten mich – ich wüßte auch nicht viel mehr. Genau besehen war der Mensendieck-Gymnastiker der einzige Idealist weit und breit, und der paßt nicht in die Umfrage. Darf es noch ein kleiner Hinweis sein?«
    »Aber ja, Herr Gabelbach, ich freue mich, wenn Sie mir was sagen!«
    »Erstaunlich, aber bitte: Sie werden das Zeug aufschreiben müssen, und, falls Sie das noch nicht bei Frau Müntzer bemerkt haben, irgendwo muß ein Ansatz zum guten Menschenbild drinstecken, sonst können Sie den Stecken nehmen. Ich würde die Sache auf die Straßenbahnerin stellen; haben Sie behalten, wie die von Freundlichkeit gesprochen hat?«
    »Ja«, sagte David, »aber vor dem Schreiben graut mir; ich hab noch nie etwas anderes als Werkstattwochenberichte und Briefe geschrieben.«
    »Was meinen Sie, warum ich Fotograf geworden bin?« sagte Gabelbach und nahm seine Kamera zur Hand. »Da kommt ein Polizist, den könnten wir noch mitnehmen, und dann reicht es.«
    »Guten Tag, Herr Wachtmeister«, sagte David, »ich hätte eine Frage!«
    »Beruflich?« sagte der Polizist.
    »Ja.«
    »Name?«
    »David Groth.«
    »Name der Zeitung?«
    »Neue Berliner Rundschau.«
    »Frage?«
    »Wie? Ach so, die Frage. Die Frage lautet: Welche persönlichen Wünsche haben Sie an das kommende Jahr?«
    Der Polizist schien nach seinem Notizbuch greifen zu wollen, besann sich dann aber und sagte: »Das wäre neunzehnhundertsechsundvierzig? Also für das Jahr neunzehnhundertsechsundvierzig habe ich folgende persönlichen Wünsche: Erstens möchte ich nicht mehr Polizist sein, weil ich nämlich Maurer bin und Polizist nur bin, weil ich sonst hätte Bürgermeister werden müssen, weil ich in Esterwege war, und dann möchte ich, daß die Berliner Bevölkerung zur Verkehrsdisziplin zurückfindet, weil es so nicht mehr weitergeht. Dieses sind meine Wünsche für das Jahr neunzehnhundertsechsundvierzig.«
    David sah auf den Verkehr am Alexanderplatz: ein Opel Blitz mit Holzgasgenerator, zwei Ziehwagen und ein

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