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Das Inferno Roman

Titel: Das Inferno Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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aufgestanden.
    »So. Nochmal, damit das klar ist: Du wirst vor mir laufen, und ich werde das Ende hier in der Hand halten.«
    Er hatte die Hand gehoben und den Stacheldraht strammgezogen, bis er ihr ins Fleisch schnitt. Sie war ein wenig zusammengezuckt und hatte sich auf Zehenspitzen gestellt. Aber dann musste ihr etwas Besseres eingefallen sein: Sie hatte sich nach vorne gebeugt, ihre gefesselten Handgelenke gesenkt und damit die Leine entlastet.
    »Wenn du Schwierigkeiten machst«, hatte Stanley weiter gesprochen, »bin ich gezwungen, an der Leine zu ziehen. Und das wird wehtun, das kannst du glauben. Egal, wie weit du dich nach vorne beugst, wenn ich an der Leine ziehen muss, wird es dir leidtun.«
    Nachdem er die Warnung ausgesprochen hatte, ließ er die Leine etwas lockerer, damit sich Sheila nicht so weit bücken musste.
    »Okay. Los geht’s.«
    Sie war langsam durch die Überreste ihres Hauses losgelaufen. Sie hatte sich nicht komplett aufgerichtet, aber das konnte Stanley ihr nicht verübeln. Je weiter unten sie ihre Hände hatte, umso geringer war die Wahrscheinlichkeit,
dass der Stacheldraht sie an empfindlichen Stellen berührte. Sie hielt die Beine weit auseinander, um den Stacheln auszuweichen. Deshalb glich ihr Gang einem Watscheln.
    Manchmal war sie zusammengezuckt und erschrocken, wenn sie mit ihren ungeschützten Füßen irgendwo hineingetreten war oder die Stacheln sie gekratzt hatten.
    Es hatte lange gedauert, bis sie ihre Hausruine hinter sich gelassen hatten, danach war es etwas schneller gegangen. Durch Innenhof und Garten waren sie zügig vorangekommen, aber die Ziegelsteinmauer am hinteren Ende ihres Grundstücks hatte ihr Vorwärtskommen gestoppt.
    »Wie kommen wir da drüber?«, hatte Stanley gefragt.
    Sie war vor der Mauer stehen geblieben, hatte weder etwas gesagt noch gestikuliert.
    »Das wird ein Problem werden, ich bin ja schließlich nicht dämlich genug, dir die Hände loszubinden.« Mit gerunzelter Stirn hatte er den Stacheldraht vorsichtig hin und her geschwungen und zugesehen, wie er zwischen ihren Pobacken schaukelte wie ein höllisches Hüpfseil.
    »Wir können nicht außen herum laufen, oder? Na ja, könnten wir schon. Wenn wir durch den Vordereingang gingen, bräuchten wir uns wegen der Mauer keine Gedanken mehr machen. Aber ich schätze, wir würden dabei ein wenig Aufmerksamkeit auf uns lenken, wenn ich dich um den Block Gassi führe wie einen Hund. Und was für ein braver Hund du bist, hm? Was für eine tolle Leine. Platz! Kannst du’s dir auch vorstellen? Fast wäre es den Versuch wert. Aber mit Sicherheit käme jemand aus
einem Haus gerannt und würde versuchen, dich zu retten. Das wollen wir nicht. Dann müsste ich ihn umbringen, und dafür bin ich im Moment zu schlapp. Ich muss meine Kräfte für dich aufsparen. Also schätze ich, dass wir über die Mauer müssen.«
    Er hatte sein Ende des Stacheldrahts zu Boden fallen lassen und sie zur Mauer geschoben. »Ich stoße dich an.« Nachdem er die Schere und das Rasiermesser abgelegt hatte, war er hinter ihr in die Knie gegangen und hatte seine Hände zu einer Räuberleiter verschränkt. »Setz den Fuß in den Steigbügel, Liebes.«
    Sheila hatte ihre Arme gehoben, ihre gefesselten Hände gegen den oberen Mauerrand gelegt und ihren rechten Fuß auf seine verschränkten Hände gestellt. Dann hatte sie ihr Bein durchgestreckt und sich abgestoßen. Als sich Stanley aufgerichtet hatte, sah er gerade, wie Sheila ihr linkes Bein hoch in die Luft schwang.
    »Oh, schau dir das nur an«, hatte er gesagt.
    Schade, dass nicht zehn Mauern zwischen uns und dem Pool stehen. Oder hundert. Das könnte ich mir den ganzen Tag lang ansehen.
    Als sich ihr Fuß aus seinen Händen hob, verpasste er ihm einen zusätzlichen Stoß, der Sheila über die Mauer wirbelte.
    »Überraschung!«
    Sheila hatte sich nicht beschwert. Nur ein erschrockener Aufschrei war aus ihrem Mund gedrungen, als sie kopfüber und mit strampelnden Beinen über die Mauer gegangen war. Stanley hatte nicht gewartet, bis sie gelandet war, seine Schere und das Rasiermesser genommen, über die Mauer geworfen, sich gegen die Mauer gestemmt und sich mühsam hochgerackert.

    Von oben hatte er auf Sheila herabgeblickt.
    Anscheinend war sie nicht mit dem Kopf aufgeschlagen. Vielleicht war sie mit den Armen zuerst gelandet und hatte dann eine Art Purzelbaum hingelegt. Sie lag mit dem Kopf zur Mauer auf dem Rücken, die Hände auf dem Bauch und die Knie angezogen.
    »Du hast Glück,

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