Das Inferno Roman
klar.« Sie trat an Em und Clint vorbei, drehte sich weg und sank auf ihre Knie. Sie krabbelte unter den Baumstamm, wobei die Plastikflasche über den Boden schleifte und ihr Hintern wackelte. Clint bemerkte, dass sie keine Strümpfe trug. Hatte sie nicht vorher Strümpfe
angehabt? Er war sich ziemlich sicher. Ihre nackten Beine wirkten auf seltsame Weise verletzlich.
Vielleicht sollte ich nicht so streng mit ihr sein, dachte er.
Der Moment des Bedauerns hielt allerdings nicht lange vor, dann meldete sich die Erinnerung daran, wie Mary Em geschlagen hatte.
Werd jetzt bloß nicht weich, ermahnte er sich, nur weil sie ein bisschen heruntergekommen und bemitleidenswert aussieht.
»Sie schafft das«, sagte Em.
Mary musste sie gehört haben. »Das Nachbeben wartet auf dich, Süße.« Einen Moment später schrie sie auf: »Auu! Scheiße, Scheiße, Scheiße!«
Clint und Em kauerten nieder und sahen nach.
Mary war nur vom Hintern abwärts zu sehen. Sie schien aufrecht zu stehen und vom Baum wegzuhinken.
»Alles in Ordnung bei Ihnen?«
»Nein.«
»Was ist passiert?«
»Ich habe mich gestoßen.«
»Was ist passiert?«, fragte Em noch einmal.
»Als ob das jemanden interessieren würde«, sagte Mary und hinkte weiter.
»Warten Sie!« Em ging hastig auf Hände und Knie und wand sich unter den Baum.
So viel dazu, drüberzuklettern, dachte Clint.
Er bemerkte, dass er sich nicht länger über die Möglichkeit eines Nachbebens Gedanken machte - die Wahrscheinlichkeit, dass es im falschen Moment einsetzte und Em unter dem Baum erdrückte, war vernachlässigenswert.
Viel mehr interessierte ihn der Anblick, der sich ihm bot. Wie Mary vor ihr krabbelte Em auf allen vieren. Ihre weißen Shorts spannten über ihrem Hintern. Schmutzflecke und Grasschlieren auf ihrem Hosenboden erinnerten ihn daran, dass sie vor ihrem Haus gefallen war - nachdem diese ekelhafte hässliche Frau namens Lou sie zu Boden geschlagen hatte. Lou, die Plündererin.
Schon vorher, noch bevor er sie kennenlernte, hatte ein Backstein ihr den Rücken aufgerissen. Und schließlich hatte ihr Mary einen Schlag verpasst.
Sie hatte einiges durchmachen müssen. Eine Menge mehr als Mary. Aber sie machte nicht im Entferntesten einen heruntergekommenen oder bemitleidenswerten Eindruck, als sie unter den Baum krabbelte.
Ein Kind beim Abenteuerspiel, das begeistert eine Höhle erkundet.
Barbara.
Sie ist wie Barbara vor ein paar Jahren. Die beiden sind sich so ähnlich.
Em ist viel wilder und lebhafter, aber …
»Pass auf, wenn du aufstehst«, sagte Mary. »So habe ich mich auch verletzt. Zu früh aufgestanden, und hat es mich am Rücken erwischt.«
Sie warnt Em. Schön für sie. Will sie sich wieder bei uns einschleimen?
Ist doch egal, aus welchem Grund sie Em gewarnt hat, sagte sich Clint. Sie hat es getan, und das zählt.
Em blieb auf allen vieren. Nachdem sie ein Stück weitergekrabbelt war, ging Clint auf Hände und Knie. Sie waren aufgeschürft. Clint zuckte vor Schmerzen und biss die Zähne zusammen. Ihm fiel ein, wie er sich durch
einen Sprung vor dem heranrauschenden Toyota Pick-up gerettet hatte. Das Beben war noch in vollem Gange gewesen, als er sich zu Boden geworfen hatte und über das Pflaster gerutscht war. Es kam ihm vor, als läge das schon sehr lange zurück - Tage vielleicht, nicht erst ein paar Stunden. So lange, dass die Schürfwunden an seinen Handflächen und Knien schon verheilt sein müssten. Aber es tat höllisch weh.
Auf seine Handknöchel, Daumen und Fußballen gestützt schlängelte er sich unter dem Baum durch.
Kein Nachbeben.
In weniger als drei Sekunden war er auf der anderen Seite. Er wollte sich aufrichten, aber dachte dann an Marys Warnung und hielt sich noch etwas länger gebückt. Um sicherzugehen, dass er den Wurzelknollen hinter sich gelassen hatte, blickte er über seine Schulter. Und sah einen abgebrochenen Ast, der vom Stamm geradewegs nach unten ragte - ein Mini-Stalaktit, nicht mehr als daumenlang, aber scharf am abgesplitterten Ende.
Em hob Marys Bluse am Rücken an. Clint machte einen Schritt zur Seite, damit er besser sehen konnte. Auf dem Stoff war Blut. Dann sah er Marys Rücken. Die Wunde begann knapp unterhalb ihres BHs und war etwa zehn Zentimeter lang. Es sah aus, als ob jemand mit einem Stock eine Furche über Marys Rücken gezogen hatte.
»Das tut bestimmt weh«, meinte Em.
»Gott, was, wenn es eine Narbe gibt?«
»Wird es schon nicht«, sagte Clint.
»Woher wollen Sie das wissen?«, blaffte
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