Das Inferno Roman
spähten. Aber dass sie jemand mit einem Fernglas unter Beobachtung nahm, war ihr nicht in den Sinn gekommen - und dabei noch jedes Wort hören konnte.
Von ihrem Sitzplatz aus konnte sie genug hören, um sicher zu sein, dass die Fenster geöffnet waren. Sie lauschte nach dem Plätschern des Pools.
Nichts zu machen. Sie vernahm allenfalls ein unbestimmtes dumpfes Geräusch, das sie mit »Pool« assoziierte - ein leises Rauschen wie das einer sanft ans Ohr gepressten Seemuschel.
Aber das Geplätscher konnte sie nicht hören.
Lee konnte unmöglich alles gehört haben.
Aber vielleicht eine Menge.
Sie hasste die Vorstellung, dass er Petes unbeholfenes Geständnis, wie sehr er sie mochte, mitgehört haben könnte. Irgendwie kam ihr das schlimmer vor als das Wissen, dass er höchstwahrscheinlich sein verdammtes Fernglas auf ihre Brüste gerichtet hatte.
Unseren Kuss hat er ebenfalls gesehen.
Es tat weh zu wissen, dass er zugesehen hatte.
Dieser Spanner.
»Wie viele waren es?«, fragte Lee, und erst dann wurde Barbara klar, dass sie Heathers Geschichte gar nicht zugehört hatte.
»Ich weiß es nicht«, sagte Heather.
»Doch, das weißt du. Denk nach.«
»Na ja, vielleicht zehn oder zwölf.«
Er schloss vorsichtig die Gardinen, drehte sich auf seinen Knien zur Seite und schaute Heather missmutig von oben herab an. »Wie waren sie bewaffnet?«
»Manche hatten Pistolen.«
»Wie viele Pistolen hast du gesehen?«
Heather zuckte mit den Achseln, dann fügte sie schnell hinzu: »Vier? Vielleicht fünf. Die ich gesehen habe. Vielleicht hatten sie alle Pistolen. Messer habe ich auch gesehen. Und einer von denen hatte eine Axt.«
Pete schaute Lee besorgt an. »Was sollen wir tun?«, fragte er.
»Es sind zu viele, um sie sich vorzunehmen«, sagte Lee.
»Da bin ich ja froh«, sagte Barbara.
Lee sah sie streng an. »Findest du irgendwas an dieser Situation besonders witzig?«
»Eigentlich nicht.«
»Dann komme ich gut ohne deine Klugscheißersprüche aus.«
Sie versuchte, nicht vor Scham in den Boden zu versinken. »Tut mir leid, okay? Ich hab’s nicht so gemeint.«
»Und das mit dem Whitman-Spruch hast du auch nicht so gemeint, was?«
Sie spürte, wie sie rot anlief. »Ach das. Uups.«
»Ja. Uups.«
Der Typ hatte nicht einmal einen Anflug von Humor.
»Es ist nur … Sie haben all diese Waffen hier und sehen aus, als ob es Ihnen in den Fingern juckt und sie kaum abwarten können, bis es zur Schießerei kommt. Deshalb war ich so überrascht, als sie sagten, dass Sie sich diesem Mob, oder was immer das da draußen ist, nicht stellen
wollen. Das ist alles. Okay? Ich wollte Sie … na ja, nicht beleidigen.«
»Soll das eine Entschuldigung sein?«, fragte er.
»Ja, schon.«
»Niemals entschuldigen. Das ist ein Zeichen von Schwäche.«
»Oh, um Himmels …« Was will er überhaupt? »Okay. Was immer Sie sagen, Sir.«
»Hör auf mit dem Gewäsch«, sagte Lee.
Heather grinste.
» Du hältst den Mund«, fuhr Barbara sie an.
»Ich?«, fragte Heather ganz unschuldig. »Was habe ich denn gesagt?«
»Du bist schuld daran, dass wir überhaupt hier gelandet sind, du und diese verdammte Katze.«
»Lass sie in Ruhe«, befahl Lee.
Heather strahlte wie ein Honigkuchenpferd.
Lee wandte sich wieder zum Fenster und schob die Gardine ein Stück auseinander.
Barbara bleckte Heather die Zähne entgegen.
Heather schmunzelte.
»Was ist denn jetzt der Plan?«, wollte Pete wissen.
»Wir warten ab«, sagte Lee. »Wenn wir Glück haben, kommen die Plünderer hier nicht vorbei. Da draußen liegt eine ganze Stadt. Sie können nicht überall zuschlagen.«
»Und was, wenn sie auftauchen?«
»In erster Linie trage ich die Verantwortung für meine Mieter.«
»Mieter?«
»In vier der Wohnungen sind noch Leute.«
»Immer noch?«
»Richtig. Ich habe nach dem Beben meine Runde gedreht. Höchstens minimale Schäden und keine Opfer. Die meisten meiner Mieter waren schon auf der Arbeit. Einige sind verreist. Aber ich habe Leute in den vier Wohneinheiten, und die muss ich, wie gesagt, beschützen.«
»Ich dachte, Sie wollten einem Gefecht aus dem Weg gehen«, erinnerte ihn Barbara.
Lee machte sich nicht die Mühe, sich zu ihr umzudrehen. »Das bedeutet lediglich, dass ich nicht vorhabe, einen Angriff zu starten. Eine Verteidigungsaktion schließt das nicht aus.«
»Oh.«
»Vielleicht bist du ja der Meinung, dass wir uns hier verkriechen sollten, während sie meine Mieter abschlachten?«
»Das denke ich nicht«,
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