Das innere Kind umarmen
viele heilsame Tränen. Der
Teilnehmer, der die Aufstellung machte, konnte der Wahrheit nicht mehr
ausweichen, und er entdeckte die immense Kraft, die von seinem inneren Kind
ausging. Er begann Vertrauen zu schöpfen und verstand, warum dieser Anteil in
ihm so wichtig ist. Ohne diese Verbindung fehlt ihm die nötige Selbstsicherheit
und emotionale Stärke, die er für seine zukünftigen Aufgaben dringend benötigt.
Auch
bei den Interviews zur persönlichen Lebenssituation (siehe Kap. 2) kommt es
immer wieder zu spannenden Momenten. Eine Frau, die gerade das Interview mit
ihrem inneren Kind durchführte, schüttelte plötzlich heftig den Kopf und sagte
immer wieder: »Das darf doch nicht wahr sein!« Ich fragte sie, was los sei, und
sie erzählte mir, dass sie ihr inneres Kind gerade zu ihrem Ehemann befragt
habe. Das Kind drückte so deutlich aus, dass es den Mann nicht ausstehen könne
und dass es nicht verstehen würde, warum sie überhaupt noch bei ihm wäre. Sie
gestand sich ein, dass genau das ihr erster Gedanke war, als sie den Mann
kennengelernt hatte. Sie fand ihn extrem unsympathisch und konnte ihn nicht
ausstehen. Dann sagte sie mir, dass sie schon lange den Plan hegte, sich von
ihm zu trennen, aber bisher davon ausgegangen war, dass es an ihr selbst liege,
dass die Beziehung unglücklich sei, weil sie selbst nicht liebesfähig sei.
Diese Jahre hatten sie so viel Energie gekostet, dass sie gar nicht mehr
wusste, wie stark und wie liebesfähig sie in Wirklichkeit war. Sie versprach
ihrem inneren Kind, sich jetzt zu trennen, denn es habe ja keinen Sinn, es
herauszuzögern, wenn das innere Kind diesen Mann gar nicht ausstehen könne.
Diese Frau hielt ihr Versprechen sich selbst gegenüber und trennte sich von
ihrem Partner. Die Kraft, die sie in den letzten Jahren dafür verbraucht hatte,
die Beziehung aufrechtzuerhalten, kehrte langsam zu ihr zurück. Sie orientierte
sich neu und lernte später einen Mann kennen, der auch dem inneren Kind sehr
gut gefiel.
Das
sind genau die Schritte, für die man großen Mut benötigt: eigene
Fehlentscheidungen zu korrigieren und das selbst geschaffene Chaos zu
bereinigen.
Sehr
viel zu lachen gibt es erstaunlicherweise bei Übungen mit dem Dämon bzw. dem
Ego. Wenn der erste Schock über die bittere Erkenntnis, dass man selbst
Schattenseiten hat, verflogen ist, beginnt man, das Ganze mit einem gewissen
Schmunzeln zu betrachten.
Eine
Situation, die mir sehr stark in Erinnerung geblieben ist, ist die Geschichte
einer Frau, die vor vielen Jahren zu einem Einzelgespräch zu mir kam. Sie war
sehr zurückhaltend, unsicher und traute sich überhaupt nichts zu. Sie war
einsam, unglücklich und unerfüllt. Außerdem unterdrückte sie ihr aggressives
Potenzial zu diesem Zeitpunkt sehr stark.
Wir
erarbeiteten ein paar Ideen, wo sie ansetzen könne, um etwas zu verändern. Der
Prozess nahm seinen Lauf, und irgendwann machte sie die Jahresausbildung bei mir.
Sie fand Menschen, die sie verstanden, zu denen sich schöne Freundschaften
entwickelten. Sie begann zu tanzen, Gedichte zu schreiben und belegte
Skulptur-Kurse. In einem dieser Kurse machte sie dann eine Figur, die sie uns
beim nächsten Seminar präsentierte: Es war »Egon«, der innere Schweinehund.
Tatsächlich war es eine Mischung aus Schwein und Hund und auch ihnen ähnlich in
der Größe. Diese Skulptur sah so witzig und treffend aus, dass sie uns den
ganzen Tag zum Lachen brachte. Egon war also ihr Dämon, den sie liebevoll
»meinen inneren Schweinehund« nannte. Sie ist seitdem ein sehr ausdrucksstarker
Mensch geworden, der viel lacht, andere zum Lachen bringt und sich selbst
Träume erfüllt. Ich bin sehr froh, dass ich damals hartnäckig geblieben bin und
ihr das Ausbildungsjahr ans Herz gelegt habe.
Andere
Teilnehmer wiederum versicherten mir, dass sie kein Ego hätten, und als wir
dann die Übung machten, erschraken sie über die Stärke und die Macht dieses
Wesensanteils in sich und revidierten ihre vorherige Aussage.
Eine
andere Teilnehmerin hatte sich in der offiziellen Vorstellungsrunde mit ihrem
sogenannten »Seelennamen« vorgestellt. Sie bat darum, auch so angesprochen zu
werden. Als wir dann einige Monate später mit dem Ego arbeiteten und diese Frau
in der Übung nach dem Namen des Dämons fragte, schaute sie mich plötzlich ganz
erschrocken an. Ich fragte sie, was los sei, denn sie machte einen sehr
irritierten Eindruck. Sie erklärte mir, dass der Dämon auf die Frage nach dem
Namen
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