Das innere Kind umarmen
Zukunft. Für ihn war die Arbeit an sich
selbst existenziell und wegweisend.
Eine
andere Frau aus meinem Kurs versah ihre Vertragsunterzeichnung mit einem
schönen Lied, welches sie uns vorsang. Sie hatte als Kind den Wunsch, in einem
Chor zu singen, was sie allerdings viel Überzeugungskraft gekostet hatte, damit
die Eltern es erlaubten. Das Lied, welches sie sang, war das erste Solo für
diesen Chor gewesen, nachdem sie sich die Teilnahme daran schwer erkämpft
hatte. Es hatte also eine sehr tiefe und große Bedeutung für sie, dass sie
ausgerechnet dieses Lied sang, und wir durften daran teilhaben.
Umgekehrt
gibt es natürlich auch Situationen, in denen Teilnehmer diesen Weg nicht
durchziehen und dann an irgendeinem Punkt steckenbleiben.
Eine
ehemalige Teilnehmerin kam ein Jahr nach dem Kurs zu mir und erzählte mir, wie
schlecht es ihr immer noch ginge. Sie schob ihr Unglück auf den Ehemann und die
Kinder. Ich fragte sie, ob sie mit dem inneren Kind weitergearbeitet hätte, aber
sie verneinte und meinte, dass sie das vergessen hätte. Ich sagte ihr, dass ich
sie nur dann unterstützen könne, wenn sie ihren Anteil dazu beitragen würde.
Es
ist nicht wichtig, wann am am Ziel ankommt, sondern dass man überhaupt erst
einmal losgeht.
Nun
sind einige Jahre vergangen, und vor kurzem vereinbarte sie plötzlich einen
Termin mit mir. Sie sagte, sie wolle jetzt doch weitermachen. Ich bin
überzeugt, dass sie sich durch diese Entscheidung einen wichtigen Schritt näher
gekommen ist.
Viele
schöne, aber auch ergreifende Momente spielen sich ab, wenn die Menschen ihr
inneres Kind umarmen. Damit ist die Geste gemeint,
die in Kapitel 2 erarbeitet wird.
Ein
solcher Moment war, als eine Frau während dieser Übung die Hände immer auf
Abstand vor ihren Körper hielt. Ich bat sie, die Hände auf ihren Körper
aufzulegen, um die Berührung wirklich spüren zu können. Ich erklärte ihr, dass
der Körper die Geste sonst nicht als gemachte Erfahrung abspeichern könne. Und
genau das ist ja wichtig, um sich in der Zukunft selbst helfen zu können. Sie
fing an zu weinen und sagte: »Das kann ich nicht! Es tut so weh und ich habe
Angst, dass es dann wieder weg geht. Ich will mich nicht darauf einlassen, wenn
ich es wieder verlieren muss oder es mir wieder weggenommen wird.« Diese Frau
hatte sehr schlimme traumatische Erlebnisse in der Kindheit. Von Gewalt bis
Liebesentzug war dort alles vertreten.
Ich
erklärte ihr, dass sie heute die einzige Person ist, die darüber entscheidet,
was mit ihr geschieht und was nicht. Kein anderer kann und darf das mehr tun.
Das ist der Vorteil am Erwachsensein. Sie machte sich bewusst, dass ihre Eltern
keine Macht mehr über sie haben, es sei denn, sie ließe es zu. Sie erlaubte
sich Zärtlichkeit sich selbst gegenüber und legte ihre Hände an den Körper. Sie
begann wieder heftig zu weinen und sagte: »Ich lasse es nie wieder los! Es
gehört zu mir, und ich darf es verteidigen!«
Irgendwann
ging das Weinen in ein Lächeln über, und sie saugte die Nähe und den Kontakt zu
sich selbst auf wie ein vertrockneter Schwamm das Wasser. Sie sagte, dass sie
nun endlich das Gefühl habe, bei sich angekommen zu sein, und dass sie zum
ersten Mal in ihrem Leben das Gefühl habe, satt zu sein. Wie
ein kleines Baby, das sich den Bauch an der Brust der Mutter voll geschlagen
hat. Sie meinte, das nennt man wohl Zufriedenheit.
Eine
andere Person, die mich sehr beeindruckte, war ein Mann, der in der Kindheit
extreme, körperliche Gewalt durch seinen Vater erlebte. Er führte sein
bisheriges Leben, indem er versuchte, Wut auf verschiedenste Art und Weise
auszudrücken. Erst suchte er die Gewalt, und dann mied er sie. Das Tragische
daran war, dass er ein sehr talentierter Mensch ist, der aber seine Talente
nicht freisetzen kann, solange er seinen Emotionalkörper nicht integriert und
beherrscht. Er verlor während der Arbeit an sich selbst fast den Kontakt zu
seinem inneren Kind. Wir machten eine Familienaufstellung 2 , um herauszufinden, welcher nächste Schritt für
ihn hilfreich sein könnte. Während dieser Aufstellung teilte er einem
Teilnehmer die Rolle seines inneren Kindes zu. Diese Person sprach dann aus,
was er selbst nur fühlen, aber nicht formulieren konnte. Das innere Kind
erklärte ihm, dass er sich nicht immer abwenden solle. Er solle zuhören und
sich helfen lassen. Er sollte nicht mehr immer alles allein machen wollen. Die
Situation war sehr emotional, und es flössen
Weitere Kostenlose Bücher