Das Inselcamp
umgeworfenen Stuhl. Es war Andi, sein Bruder, der ihm das Ei hinhielt. Pitt zögerte. Dann griff er zu. »Christus ist auferstanden«, sagte Andi. Sie hatten es schon so oft gerufen, dass es beinahe vertraut klang. »… wahrhaftig …«, nuschelte Pitt. Er sah auf Tamaras langen schwarzen Zopf. Dann drehte er sich um und lief davon.
»Schade«, sagte Diakon Jott, als er die Tür hinter ihm geschlossen hatte. »Ich hatte einen Spruch für euch alle: Matthäus 7,3.« Tamara und Judith sahen ihn gespannt an und warteten auf die Worte. Andi dagegen starrte die Tür an, durch die sein Bruder verschwunden war.
»Und dann will ich noch etwas sagen«, fuhr Diakon Jott fort, ohne den Spruch zu nennen: »Wir haben wieder was verstanden. Das macht mir Hoffnung auf den Sommer.«
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Nur über meine Leiche
»No, nee, njet und basta!« Britt wiederholte ihre Weigerung wie eine Beschwörung. »Ich hab ein bisschen mitgespielt. Aber meine Ferien kriegt er nicht. Nur über meine Leiche!« Judith und Andi wechselten einen Blick. Das hatte Diakon Jott auch gesagt – mit umgekehrten Vorzeichen, sozusagen.
»Das mit der Insel hat der Jott doch längst vergessen«, meinte Johanna beschwichtigend. Judith und Andi wechselten wieder einen Blick. Das wussten sie definitiv besser. »Was haben wir nicht alles für ihn getan!«, rief Simone. Tamara lächelte spöttisch. »Das sieht er anders«, bemerkte sie. Pitt, der neben ihr saß, versetzte ihr einen heftigen Stoß.
Es war wieder Dienstag und sie hatte sich wieder beim Gemeindehaus getroffen. Nur die vier vom Berg fehlten. Die achtwaren nicht hineingegangen, sondern saßen im Kreis auf der Wiese unter den Bäumen. Es war beinahe schon Sommer und die Luft roch nach Ferien – nach Italien, nach Frankreich oder nach England, nach allem, was Spaß machte – aber auf keinen Fall nach Nordseeinsel …
»Und ich muss auch nicht«, verkündete Britt hitzig. »Meine Eltern haben mir erlaubt, auf die Konfirmation zu pfeifen.« Johanna stieß einen betroffenen Schrei aus. »Du meinst, wir sollen – ohne dich …?« Sie wirkte plötzlich sehr verloren. Britt lachte spöttisch. »Auf jeden Fall ohne mich«, bekräftigte sie. »Macht, was ihr wollt.«
Simone biss sich auf die Lippen. »Meinen Eltern ist es eigentlich egal«, sagte sie. »Aber was mich angeht – habt ihr eigentlich in letzter Zeit etwas Cooleres erlebt als Weihnachten und Ostern und all diese – Sprüche?«
Pitt beugte sich zu Britt hinüber. »Sie hat krasse Haare, oder?« Britt brauchte nicht zu antworten, denn im gleichen Augenblick trafen die vier vom Berg ein. »Die ist ein wahres Paradies, diese Insel!«, rief Matti schon von Weitem. Die acht horchten auf und trauten ihren Ohren nicht.
»Wir haben diese CD gesehen …« Philip schwärmte. »Ein irrer Wind. Voll krass. Abenteuer pur.« Nach und nach rückten sie damit heraus, dass Mattis Mutter eine Reklame in die Hände gefallen war. Es ging um eine neue Surfschule an der Nordsee – krass und wild.
»Ausgerechnet auf der Insel, die der Jott für uns ausgesucht hat«, rief Tom triumphierend. »Wenn der wüsste, was wir wissen …!«
Die vier vom Berg hatten beschlossen, den neuen Reiz der Insel geheim zu halten, scheinbar widerstrebend mitzufahren und vor Ort dann eigene Wege zu gehen. Pitt und Andi stiegen gleich darauf ein. »Surfen wollten wir schon immer!«, rief Andi.
Jacques, Johanna und Simone wirkten erleichtert. »Na, seht ihr«, sagte Johanna in die Runde. Ihre Augen blieben an Britt hängen. Bittend sah sie ihre Freundin an. »Britt …?« Aber Britts Gesicht blieb verschlossen. »Ich hasse Surfen«, sagte sie, stand auf und ging weg.
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Zwölf
Britt hatte einen Lieblingsort, den nicht einmal ihre beste Freundin Johanna kannte. Am äußersten Ende des Friedhofs gab es eine kleine Laube.
Eigentlich war es eine Station zum Wasserholen und ein Kompostplatz für verwelkte Kränze und Blumen, aber das Spalier rundum war so üppig überwuchert, dass kaum noch jemand den Zweck erkannte. Ohnehin war es ein vergessener Teil des Friedhofs, nur alte Gräber, selten besucht.
Britt kauerte sich auf den Brunnenrand, wenn sie nachdenken wollte. Sie hatte festgestellt, dass dort ihre Gedanken oft andere Wege nahmen als die, die sie vorgab.
Am ersten wirklich heißen Tag des Jahres hatte Pitt seinen Roller genommen und Britts Haus beschattet. Er war ihr gefolgt, bis zum Friedhof, und hatte beobachtet,
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