Das Inselcamp
dann natürlich hinten dranhängen«, erklärte er sanft. Dennoch dauerte es über eine halbe Stunde, bis alle zwölf ihr Gepäck in sechs Taschen gezwängt hatten. Pitts Vater blieb auf einem riesigen Rest sitzen.
»Fährst du?«, fragte Jott Judiths Mutter, als endlich alles und alle Platz gefunden hatten. Verblüfft griff sie nach dem Zündschlüssel, den er ihr hinhielt. Immerhin war es die Chance auf einen unbeengten Sitz.
»Dann wollen wir mal«, sagte Diakon Jott, ohne eine Miene zu verziehen. Er setzte sich in den Mittelgang und machte die Beine lang.
»Von Wollen kann keine Rede sein«, flüsterte Britt Johanna zu, gerade noch laut genug, dass er es hörte. »Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes«, sagte Diakon Jott. »Lukas 9,62«, murmelte Tamara und Pitt zog fest an ihrem Zopf.
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Peinlich
Sie bekamen die Fähre nur, weil Judiths Mutter alle Verkehrsregeln ignorierte. Sie hatten allerdings nicht damit gerechnet, dass es sich um eine Fußgängerfähre handeln würde. Als Diakon Jott auf das Dach des Busses stieg und begann, die Seesäcke auf den Boden zu werfen, bekam Johanna ihre erste Krise. »Aber wir brauchen doch ein Auto!«, heulte sie und setzte sich auf den Asphalt des Parkplatzes.
Judiths Mutter bemühte sich, ihr zu erklären, dass auf der Insel überhaupt keine Autos erlaubt seien. Diakon Jott dagegen achtete gar nicht auf Johannas Verzweiflung. Er warf ihr einen Stapel Decken auf den Kopf. »Die trägst du«, bestimmte er von oben herab.
»Und was tragen Sie?«, fragte Pitt misstrauisch, als alles Gepäck verteilt war. Diakon Jott eilte mit großen Schritten voraus. Er hatte wieder seinen Kartoffelsack bei sich, aber nach dem Elan zu urteilen, mit dem er ihn schwenkte, war er höchstens mit Watte gefüllt. »Keine Sorge«, sagte er unbekümmert. »Wir werden früh genug tauschen.«
Sie nahmen das hintere Deck in Beschlag und breiteten ihre Sachen großzügig aus. Nach der Enge im Bus genossen sie die wiedergewonnene Freiheit.
Judiths Mutter kauerte sich vor ihre Tochter und legte den Kopf in ihren Schoß. »Ich bin wie gerädert«, stöhnte sie. »Kein Wunder«, meinte Judith und warf einen anklagenden Blick auf Jott. Er stand an der Reling und fütterte die Möwen.
»Konnten Sie denn Ihre Schafherde einfach so allein lassen?«, fragte Andi. Der Diakon warf ihm einen verständnislosen Blick zu. »Weißt du das nicht?«, fragte er. »Wenn es gilt, Einzelne zu suchen, bleibt die Herde bisweilen sich selbst überlassen.«
Es war Abend geworden, aber noch wärmte die Sonne. Britt zog als Erste ihr Hemd über den Kopf und saß im Bikinioberteil da. Sie legte den Kopf in den Nacken und fing die Sonnenstrahlen ein.
Simone und Johanna taten es ihr kichernd nach. »So weit nicht schlecht«, rief Britt, beinahe übermütig, als der Wind ihr das Haar zerzauste. »Peinlich, so was«, bemerkte Pitt betont zu Andi. »Die Leute schauen schon.«
Tatsächlich zog die Gruppe viel Aufmerksamkeit auf sich. »Genau genommen«, sagte Tamara, »schauen sie nicht auf uns, sondern auf Jott.« Pitt folgte ihrem Blick und zuckte zusammen.
Die zwölf hatten sich inzwischen an Jotts Aufzug gewöhnt. Durch die Augen der Touristen, die auf die Insel übersetzten, erkannte Pitt neu, wie unmöglich der grobe Kittel, die zottelige Haartracht und die staubigen Füße in Wahrheit waren. »Wir können uns mit ihm echt nicht sehen lassen«, zischte er Andi ins Ohr. Andis Grinsen war schief. »Bloß gut, dass uns hier niemand kennt«, gab er zurück.
Matti fuhr auf. »Wie man’s nimmt«, flüsterte er und befeuchtete nervös seine Lippen. Ihm hatte das Gepäckauspacken vor der Abfahrt mehr Schwierigkeiten bereitet als den Mädchen. Viele Hemden und Badeshorts hatten zurückbleiben müssen, die alle wie frisch aus dem Laden wirkten. Wie es schien, hatte Matti vorgehabt, Eindruck zu machen. Tom und Philip schoben es auf die Surfschule.
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Überflüssig?
Als hätte Diakon Jott das Unbehagen an seiner Person gespürt, drehte er sich auf einmal nach seinen Schützlingen um. »Wie steht’s?«, fragte er. »Können wir anfangen?« Lena, Judiths Mutter,fuhr hoch. Die meisten starrten den Diakon an. »Poker oder Skat?«, fragte Pitt schließlich. Britt warf ihm einen amüsierten Blick zu und blies sich den Pony aus der Stirn.
Jott sah kurz zur Sonne, dann erklärte er: »Wir haben eineinhalb Stunden Zeit.
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