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Das Inselcamp

Das Inselcamp

Titel: Das Inselcamp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Steinkuehler
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wo sie verschwand. Er lehnte den Roller in eine Hecke und ging hin. Hinter dem Spalier blieb er stehen, damit sie ihn hören konnte, nicht aber ansehen musste. Denn er wusste, dass sie ihn hasste.
    »Hör zu«, sagte er, ohne sie vorzuwarnen. »Ich sag dir was und dann gehe ich wieder.« Er machte eine Pause, damit sie zustimmen konnte. Aber den Gefallen tat sie ihm nicht. Wahrscheinlich musste er froh sein, dass sie nicht schreiend davonlief.
    »Hör zu«, wiederholte er, »ich hasse den Konfer und den Jott genauso wie du. Aber ich habe was beschlossen.« Er machte wieder eine Pause. Sie war so still, als sei sie gar nicht da. »Erstens: Ich zieh das durch.«
    Diesmal wartete er länger. Als wieder nichts kam, verlor er die Nerven. »Verdammt, Britt«, fluchte er vor sich hin. »Musst du unbedingt so verdammt dickköpfig sein? So verdammt dickköpfig wie – ich?«
    Beinahe hoffte er, dass sie ihn auslachen würde. Als das nicht geschah, begann er sich zu schämen. Wahrscheinlich fand sie ihn furchtbar uncool. Wahrscheinlich machte er sich lächerlich.
    Okay«, sagte er, »ich geh dann wohl mal wieder.« Er war nur dankbar, dass Andi nichts von seiner Aktion wusste. »Warte!« Britts Stimme klang unsicher. Er hielt den Atem an. »Und zweitens?«, fragte sie zögernd.
    Pitt atmete tief durch. »Zweitens«, sagte er laut und froh, »ist das nichts, was ein paar von uns allein machen sollten. Wir sind zwölf, Britt, und ich schätze, zwölf ist eine gute Zahl. Du würdest fehlen, Britt.« Dann hielt er es nicht mehr aus. Er rannte los, griff sich seinen Roller und ließ den Friedhof hinter sich.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
    Keine Freizeit
    Es war vielleicht das erste Schuljahrsende, an dem sich das Interesse nicht auf die Zeugnisse konzentrierte. Fast schien es, dass die Noten unwichtig waren gegenüber dem, was in den ersten beiden Wochen der Ferien auf die zwölf zukommen sollte. Während die Jungen insgeheim nur noch vom Surfen redeten, sortierten die Mädchen ihre Sommerklamotten.
    Es waren die Eltern, die auf einmal nervös wurden und die Möglichkeit ausloteten, noch einen Rückzieher zu machen. Sie schrieben einen Brief an Diakon Jott und verlangten eine erneute Elternversammlung – »Morgen Abend um sieben«, schrieben sie. »Oder Sie fahren allein auf die Insel.«
    »Das ist die Sprache, die er versteht«, meinte Pitts Vater Jonas, und Judiths Mutter lachte. »Schalom«, fügte sie hinzu.
    Diakon Jotts Haar war mittlerweile schulterlang geworden. Er trug einen Vollbart, aber noch immer dasselbe knöchellange Gewand. Dass er barfuß ging, wirkte in der warmen Jahreszeit nicht mehr ganz so heroisch.
    »Wir sind uns nicht sicher, ob wir Ihnen unsere Kinder anvertrauen können«, sagte Simones Mutter offen. »Wenn wir auchanerkennen«, fügte Johannas Vater hinzu, »zu wie viel Engagement Sie sie in den vergangenen Monaten motiviert haben.« Johannas Mutter meldete sich. »Vielleicht sagen Sie uns einfach genauer, was Sie vorhaben, und dann sagen wir, ob es in Ordnung ist.«
    Die Eltern hatten alle noch im Ohr, was Diakon Jott gesagt hatte: vierzehn Tage Insel – und: Sie müssen tun, was ich für sinnvoll halte … Die meisten fanden, dass das beunruhigend klang.
    Die zwölf fanden das auch. Und deshalb hockten sie, ohne dass die Eltern oder Diakon Jott es ahnten, draußen unter dem offenen Fenster des Gemeinderaums und lauschten. Sogar Jakob war gekommen, obwohl er auf seinen kleinen Bruder aufpassen musste. Er hatte ihm eine Tüte Gummibärchen geschenkt und den Fernseher eingeschaltet.
    Diakon Jakobsen räusperte sich. »Ich verstehe Sie«, sagte er mit seiner langweiligsten Stimme. »Aber bitte verstehen Sie auch mich: Was ich vorhabe, das darf nicht im Voraus zerredet werden. Es wirkt nur … vor Ort und … spontan.«
    »Um Himmels willen«, entfuhr es Johannas Mutter. Der Diakon zwinkerte ihr zu. »Ganz recht«, sagte er. »Geben Sie uns irgendeinen Anhaltspunkt«, verlangte einer der Väter vom Berg.
    »Jesus Christus«, antwortete Diakon Jakobsen nach kurzem Bedenken. »Nennen Sie unsere Freizeit – die keine sein wird – das Jesus-Camp.«
    »Das klingt ja furchtbar!«, stöhnte Jakobs Mutter. Diakon Jakobsen zuckte zusammen. »Entschuldigen Sie mal«, sagte er irritiert. »Sie wissen aber schon, dass es sich um Konfirmandenunterricht handelt, oder?« Sie schien ihn nicht zu verstehen.
    »Konfirmation«, erklärte Jakobsen, »das bedeutet: Festigung im christlichen Glauben. Mal abgesehen

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