Das Intercom-Komplott
könnten … »Aber natürlich.«
Immerhin hatte ich ihr damit den Faden abgeschnitten, und es war Morin, der den Ball auffing.
»Herzens Memoiren wurden nach seinem Tod gründlich bearbeitet«, sagte er, »und familiäre Dinge wirkten sich auf den endgültigen Text weitgehend aus. Damals war es ratsam, freundschaftliche Beziehungen zu Netschajew zu verschweigen.«
»Etwa deshalb, weil Netschajew Herzens Tochter verführt hatte?«
» Versucht hatte , sie zu verführen.« Morin grinste. »Netschajew war in allen seinen Unternehmungen nie sehr erfolgreich. In gewisser Weise ziemlich amüsant.«
Morin fuhr fort mit seinem detaillierten Bericht. Ich hatte die ganze Angelegenheit schon immer für eine fade und ziemlich häßliche Geschichte gehalten, er jedoch schien sie recht lustig zu finden. Strommin lachte ununterbrochen.
Und weil mir die drei allmählich auf die Nerven gingen, bat ich um die Rechnung.
Als ich mich erhob, wurde Madame Coursaux plötzlich wieder gesprächig.
»Wie interessant«, sagte sie, »einen Journalisten mit einem Gespür für historische Dinge kennenzulernen. Wir bleiben noch auf ein paar Tage in Genf. Vielleicht sollten wir uns noch einmal treffen. Dann werden wir Ihnen hoffentlich auch über die Ergebnisse unserer Nachforschungen berichten können.«
Ich murmelte etwas zum Abschied und ging. Auf dem Rückweg zum Büro nahm ich mir vor, die Brasserie während der nächsten Zeit zu meiden.
Das Kuvert, das Blochs Memorandum und Bulletin enthalten hatte, war in Brüssel aufgegeben worden. Mit einer raschen Antwort auf mein Telegramm konnte ich deshalb nicht rechnen. Da in München niemand auf meine Telefonanrufe reagiert hatte, nahm ich an, daß das Telegramm bis zu seiner Rückkehr ungeöffnet bleiben würde. Aber darin irrte ich mich. Er mußte dort jemanden haben, der täglich seine Post durchsah {*} .
Am nächsten Tag erreichte mich ein von Bloch in Brüssel aufgegebenes Telegramm.
HABE IHR TELEGRAMM MIT INTERESSE GELESEN . TREFFEN DIESE WOCHE LEIDER UNMOEGLICH . AUSSERDEM GEGENWAERTIG NICHT NOTWENDIG , DA REDAKTIONSPOLITIK UNVERAENDERT . AB SOFORT IST IHNEN GESTATTET , FRAGEN NACH SESAM - QUELLE ZU BEANTWORTEN . IHR DRAENGEN VERSTAENDLICH , ABER IN DIESEM FALLE UNANGEBRACHT . SOLLTEN DRITTE SCHRIFTLICHE BEWEISE FUER FALSCHE DARSTELLUNGEN VORLEGEN ODER GEGENDARSTELLUNGEN FORDERN , SIND SIE ZUR VEROEFFENTLICHUNG BEFUGT . WEITERHIN GESTATTE ICH IHNEN , SESAM - BULLETINS IN ZUKUNFT MIT MEINEM NAMEN ZU ZEICHNEN . ENTSCHEIDUNG HIERUEBER BLEIBT IHNEN UEBERLASSEN . BITTE UM EMPFANGSBESTAETIGUNG .
BLOCH
Das gefiel mir überhaupt nicht. Ich hatte damit gerechnet, mein Hinweis auf sinkende Abonnentenzahlen würde ihn einem Zusammentreffen geneigter machen. Die meisten Zeitungsverleger hätten auf einen solchen Hinweis mit lautem Wehgeschrei reagiert. Er dagegen war einfach darüber hinweggegangen. Und gleichzeitig hatte er mir den einzigen Vorwand genommen, die SESAM-Bulletins zurückzuhalten – und das mit einer ziemlich gerissenen Methode. Als verantwortlicher Redakteur durfte ich nicht darüber entscheiden, ob diese Berichte veröffentlicht werden sollten oder nicht, sondern nur darüber, ob es nützlich sei, die Quelle an zugeben. Er benutzte seine Machtstellung als Besitzer dazu, mich – wenn ich es wollte – von einem Teil meiner Verantwortung zu befreien. Und warum war es unangebracht, auf dem traditionellen Recht jedes Journalisten zu bestehen, seine Informationsquellen zu verschweigen? Ich versuchte, eine Antwort zu entwerfen, aus der ihm klarwerden mußte, daß seine Ausflüchte erkannt worden seien, daß aber meine Empfangsbestätigung keine stillschweigende Akzeptierung des Telegramminhalts wäre. Aber es erwies sich als unmöglich, sich kurz zu fassen, ohne daß es überheblicher klang, als es sich ein Redakteur im Verkehr mit seinem Chef erlauben darf. Ich kam schließlich wieder zu dem Ergebnis, daß ein offenes und ehrliches Gespräch unbedingt notwendig sei. Bis es dazu kommen würde, wollte ich ihm in einem Brief schreiben, wie sich die Probleme von meiner Warte aus darstellten. In meinem Bestätigungstelegramm wollte ich diesen Brief ankündigen und ihm gleichzeitig mitteilen, daß ich weiterhin versuchen würde, ihn telefonisch zu erreichen.
Da ich hoffte, er könnte mittlerweile aus Brüssel zurückgekehrt sein, rief ich am Freitagmorgen in seinem Büro an.
Auch ich kam so zu einem Gespräch mit der Münchner Polizei.
Damals machte ich mir darüber keine
Weitere Kostenlose Bücher